: Imagebrei, schnellgeschnitten
■ Die Marketingagentur Partner für Berlin will mit einem neunminütigen Video Investoren locken. Auf Fakten und Vergangenheit verzichtet der Film bewußt
„Berlin, du hast zu viele Sommersprossen und einen viel zu großen Mund“, dudelt Hildegard Knef, während eine Dia-Show hübscher Sonnenuntergänge über den Bildschirm flimmert. Schnellgeschnittene Parallelprojektionen präsentieren einen Imagebrei, der alles erlaubt, nur nicht das genaue Hinsehen. Marathonläufer wälzen sich durchs Brandenburger Tor, ein ICE rauscht in den Bahnhof Zoo, Klimakonferenz, Roboterproduktion, Straßenmusiker und Mußestunden im grünen Berlin, unterlegt mit anregender, aber nicht immer passender Musik. Während am Bildschirmrand Bill Clinton und Eberhard Diepgen lächeln, tanzen die ravenden Massen der Love-Parade auf harte Rockrhythmen. Trockener Techno vertont dann erst die bunten Computersimulationen vom zukünftigen Potsdamer Platz.
Mit ihrem neunminütigen Film „Berlin – Die Stadt“ will die Marketingagentur Partner für Berlin die public-private partnership zwischen Senat und Berliner Großunternehmen, sprich: ein investorenfreundliches Hauptstadtklima präsentieren. Auf nationalen und internationalen Messen, Kongressen und Ausstellungen will man einen „ersten emotionalen Eindruck“ vermitteln. „Vergangenheit und Fakten haben wir bewußt vermieden“, erklärte Bärbel Petersen, Sprecherin von Partner für Berlin. Die könnten in einem der vier Hefte der „Broschürenfamilie“ nachgelesen werden.
Grundlage für die neue Marketingkampagne war eine Untersuchung des Hauptstadtimages bei nationalen und internationalen Führungskräften der Wirtschaft. Dabei schnitt Berlin nur mit mittleren Noten ab. Mehr nebenbei wurden auch Berliner und sonstige Bundesdeutsche gefragt. Doch deren Kritikpunkte wie Wohnungsnot, Mietenexplosion und Arbeitslosigkeit tauchen bei der Werbung für das Produkt Berlin nicht auf. „Wir haben aus einer Stärke/Schwäche-Analyse die Stärken der Stadt aufgenommen und verstärkt“, erklärt Winfried Schwank das Konzept. Soziale Themen lassen sich im Video nur anhand eines gutgebauten Windschutzscheibenputzers ausmachen.
Über die Kosten der Produktion schweigt sich Wilhelm von Boddien, früherer Schloßattrappeninitiator und heute Geschäftsführer von Partner für Berlin, lieber aus. „Der Film ist teurer als geplant, aber da wir noch nicht alle Rechnungen haben, können wir nichts Genaues sagen.“ Überhaupt werde im Zusammenhang mit Partner für Berlin zu viel über Geld geredet. Statt bestehende Schwierigkeiten mit dem Finanzamt und anstehende Mittelkürzungen durch den Senat anzusprechen, betont er lieber die mit Millionen der Wirtschaft finanzierte Imagekampagne. Damit die Werbung ihr Ziel auch erreicht, forderte Partner für Berlin die Politik auf, am Produkt Berlin zu feilen. Die Festlegung des Standortes für den Großflughafen und die Fusion mit Brandenburg stehen ganz oben auf ihrer Wunschliste.
„Jede Stadt hat ihre Zeit“, zitiert der Film abschließend die Tempodrom-Chefin Irene Moessinger, „jetzt ist Berlin dran.“ Ob das auch für den Film gilt? Wahrscheinlich wird er, wie nach der Pressevorstellung, in den Ecken der Messestände vor sich hinblinkern, während die Meinungsmultiplikatoren sich den Käsehäppchen widmen. Gereon Asmuth
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