: Jüdisches Handelszentrum
■ Baubeginn für „Jewish Trade and Communication Center“
Das einstige Jüdische Zentrum in der Oranienburger Straße, vor der Vernichtungspolitik der Nazis Mittelpunkt kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Lebens, nimmt langsam wieder Gestalt an. In unmittelbarer Nähe der Synagoge begannen gestern die Vorbereitungen für die Bauarbeiten am Jewish Trade and Communication Center (JTCC). Das 16 Millionen teure Projekt, von der Ostberliner Viadukt-Bauträgergesellschaft betreut, soll im Sommer 1997 fertiggestellt sein.
Als potentielle Mieter seien jüdische Organisationen, Ärzte und Rechtsanwälte im Gespräch, so Projektbetreuer Rainer Blankenburg. Fest eingeplant sind ein internationales jüdisches Restaurant, eine Bagel-Bäckerei sowie eine Buch- und Ritualienhandlung. Geplant ist außerdem, in den öffentlichen Räumen eine ständige Austellung zur Geschichte der jüdischen Kultur- und Handelslebens einzurichten. Die Hälfte der rund 2.500 Quadratmeter Nutzfläche ist für Wohnungen reserviert.
Das 500 Quadratmeter große Gelände an der Oranienburger Ecke Krausnickstraße hatte die Viadukt-Bauträgergesellschaft 1993 von den in Jerusalem, den Vereinigten Staaten und der Schweiz lebenden Erben der jüdischen Familie David Becker erworben, die zuvor ihr Grundstück im Restitutionsverfahren zurückerhalten hatten. Über die Geschichte des früheren Gebäudes ist bislang so gut wie nichts bekannt. Vor der Machtergreifung der Nazis, soviel ist sicher, befand sich an derselben Stelle ein Buch- und Ritualiengeschäft des jüdischen Eigentümers Gonzer.
Die Viadukt-Bauträgergesellschaft betreut derzeit rund zehn Objekte in der Stadt mit einem Investitionsvolumen von 150 Millionen Mark. Ihr bekanntestes Projekt war die Wiederherstellung der Ostberliner S-Bahn-Bögen als Einkaufs- und Gastronomiemeile. Die Idee, die Freifläche zu bebauen, ist keinesfalls neu. Bereits zu DDR-Zeiten hatte sich der Leiter des Viadukt-Architekturbüros, der Ostberliner Eckehard Weyrauch, über eine künftige Nutzung Gedanken gemacht. Bei der Planung zum JTCC wurde eng mit jüdischen Institutionen und Persönlichkeiten zusammengearbeitet. So soll mit Ron Arat einer der bekanntesten israelischen Architekten für die Inneneinrichtung gewonnen werden.
Sprecher jüdischer Organisationen begrüßten den Baubeginn einhellig. Er hoffe, erklärte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Jerzy Kanal, daß die neuen Institutionen im JTCC nicht nur über wirtschaftliche Solidität verfügten, sondern sich „hinter den hebräischen Schriftzeichen wirkliche Beiträge zum jüdischen Leben entwickeln“. Severin Weiland
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