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■ Mit Gipsabbau auf du und duHügel zerfressen

Berlin (taz) – „Wir müssen den Rohstoffnachschub bis weit in die Zukunft sichern“, sagt Rainer Olejnik, Geschäftsführer des Bundesverbands der Gips- und Gipsbauplattenindustrie. Etwa acht Millionen Tonnen Gips würden im Jahr 2000 insbesondere zur Schallisolierung und beim Verputzen von Gebäuden gebraucht; heute werden noch gut eine Million Tonnen weniger verbaut.

Stefan Röhl von der Initiative Naturschutzstudium an der Uni Göttingen hält die Zahlen der Gipsindustrie für zu hoch und beruft sich auf eine Prognos-Studie. Würde der Stoff teurer, würde auch der Bedarf schrumpfen. „Der Abbau von Naturgips ist aber sowieso prinzipiell unnötig“, meint er. Denn Gips entsteht auch als Abfallprodukt in Rauchgasentschwefelungsanlagen. Dieser Rea- Gips sei im Baubereich völlig gleichwertig; lediglich für Zahnformen brauche man winzige Mengen Naturstoff.

Dem stimmt zwar auch Olejnik zu. „Aber die Mengen aus den Kraftwerken reichen einfach nicht aus. Wir benötigen auch Naturgips.“ Den wollen die Bauunternehmer vor allem im deutschen Osten holen, nachdem die Vorräte in Westdeutschland zur Neige gehen und bereits viele Hügel in riesige weiße Abbruchkanten verwandelt worden sind.

Vom niedersächsischen Osterode bis ins thüringische Sangershausen zieht sich ein wenige Kilometer schmaler Gipsstreifen über hundert Kilometer durchs Land. Das Material gilt als besonders rein und leicht abzubauen. Schon zu DDR-Zeiten wurde am Alten Stolberg und am Kohnstein rücksichtslos abgebaut. Geht es weiter, ist eine einzigartige Landschaft bedroht. Hier wächst nicht nur der größte Buchenwald Mitteleuropas. Weil das Karstgestein wasserlöslich ist, verschwinden auch Bäche plötzlich im Boden und tauchen ebenso plötzlich anderswo wieder auf. Ab und zu stürzt eine Höhle ein und hinterläßt einen riesigen Krater – Heimat vieler Orchideen und Insekten. „Eine Rekultivierung nach dem Abbau ist völlig ausgeschlossen. Die Karsterscheinungen sind in zehntausend Jahren gewachsen, der Gips ist vor 250 Millionen Jahren entstanden“, erleutert Röhl. Der Abbau aber soll nur wenige Jahrzehnte dauern. Annette Jensen

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