piwik no script img

„Lizenz zum Projekte-Killen“

■ Finanzdeputation beschließt Regelung für haushaltslose Zeit

Auch ohne einen parlamentarisch beschlossenen Haushalt darf der Senat im ersten Halbjahr 1996 fast eine Milliarde Mark an Investitionsmitteln bewilligen. Gleichzeitig muß die Verwaltung harte Einsparmaßnahmen treffen – ohne dabei die gesetzlichen Leistungen des Staates antasten zu dürfen. Die Folge werden radikale Kürzungen bei den freien Zuschußempfängern sein – von Kultureinrichtungen bis zu Sozialprojekten. Dieter Mützelburg, grüner Fraktionsvorstand und Sprecher der Finanzdeputation gab gestern die entsprechenden Beschlüsse bekannt, die die Finanzdeputation mit der Mehrheit von SPD und CDU gegen die Opposition getroffen hat.

Eine „Lizenz zum Geldausgeben“ und „eine Lizenz zum Killen“ habe die Große Koalition damit der Verwaltung erteilt, sagte Mützelburg. Selbst Parlamentspräsident Reinhard Metz (CDU) habe sich von dem Verfahren mit dem Satz distanziert: „Die beschlossenen Regelungen können nicht bedeuten, daß sich das Parlament deren Grundlagen zu eigen gemacht hat.“

Die Koalition will für die laufenden Ausgaben bis zu dem für den 13. Juni geplanten Beschluß über den neuen Haushalt nämlich nicht etwa die Haushaltstitel des Vorjahres zur Grundlage nehmen, sondern die von Senat geplanten künftigen Eckwerte. Ein Dreizehntel dieser Eckwerte darf jedes Ressort ab Januar im Monat ausgeben. Da die Eckwerte des Senats jedoch deutlich unter den Werten des Haushalts 1995 liegen, bedeutet dies ab Januar drastische Kürzungen.

„Dieses Verfahren bewegt sich hart an der Grenze der Legalität“, kritisierte Mützelburg gestern. Es führe nämlich zu einer Entmachtung des Parlaments, dessen vornehmste Aufgabe die Aufstellung des Haushalts ist. Doch Bremens Ausgaben sollen sich ab Januar nicht mehr an Parlamentsbeschlüssen orientieren, sondern an einem Beschluß des Senats, also der Exekutive.

Die Kritik der Opposition richtet sich dabei nicht gegen das Sparen, sondern gegen die Art, wie es erfolgen soll. „Man hätte auch den Haushalt 1995 zur Grundlage machen und davon pro Monat zum Beispiel ein Vierzehntel auszahlen können“, sagte Mützelburg. Dies hätte ebenfalls zu Einsparungen geführt, jedoch die Kompetenz der Bürgerschaft nicht völlig untergraben.

So habe es 1992 die neue Ampel-Koalition gemacht. Damals war der Haushalt sogar erst im August beschlossen worden. Und im Investitionsbereich habe man sich darauf beschränkt, ohne Haushaltsbeschluß nur über 75 Millionen Mark zu verfügen. Eine bescheidene Summe gegenüber der knappen Milliarde, die die Große Koalition jetzt ohne Haushalt bewilligen will. Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen