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Mit grabesgenervter Stimme auf Kaffeefahrt

■ Intelligente Unterhaltung vom Feinsten: Hella von Sinnens neues Programm „Ich bremse auch für Männer“

Wenn Hella von Sinnen Ulknudel genannt wird, schmeckt ihr das gar nicht. Noch mehr haßt sie es, wenn mittelmäßige Provinzjournalisten sich an einem Verriß ihres Soloprogramms versuchen. Nur wenig kann ihren Zorn heftiger erregen. Hellas Frau und Co-Regisseurin Cornelia Scheel pflegt dann zu bemerken: „Reg dich nicht auf. Du bist doch Hella von Sinnen!“ Aber Hella von Sinnen ist im tiefsten Herzen Kempers Hella aus der Wiesenstraße 10 in Gummersbach und kann Ungerechtigkeiten nicht ertragen.

Zum Beispiel dieser Artikel in der Saarbrücker Zeitung. Die Standing ovations nach der Premiere des Bühnensolos von Hella von Sinnen führte der Autor ausschließlich auf die überdurchschnittlich große Präsenz homosexueller Menschen im Publikum zurück. „Da saßen auch gestandene Hausfrauen“, reklamiert von Sinnen prompt, „und die haben sich in ihrem Leben noch nicht so amüsiert wie an diesem Abend. Mike Krüger muß schließlich auch nicht lesen, daß seine Show ein Erfolg war, weil er heterosexuell ist.“

Die Kölner Bühnenkünstlerin wünscht sich nach all den Jahren der Häme eine sachlich angemessene Kritik ihrer Arbeit. Wie die auszusehen hat, weiß sie selbst natürlich am besten: „Die Leute müssen schreiben: Sie ist verwandlungsfähig, sie hat ein großes Talent und zwei Stunden gab es keinen Funken Langeweile. Das will ich lesen. Weil das den Tatsachen entspricht.“

Und die dicke Frau hat recht. Ihr Bühnensolo ist intelligente Unterhaltung vom Feinsten. Subtiler politischer Hintergrund, schlau, eine beeindruckende darstellerische Vielfältigkeit, aberwitzige Ideen, ein gutes Buch und: eine hervorragende Schauspielerin. Ich bekenne, ich habe das nicht erwartet. Gerechnet habe ich mit Klamauk, lustigen Einlagen und ein paar netten Obszönitäten; befürchtet habe ich die eine oder andere überstrapazierte Albernheit.

Doch diejenigen, die es nur in Ausnahmefällen übers Herz bringen, sich den Programmen der privaten Sender auszusetzen, diejenigen, die zu der Vermutung neigen, Hella von Sinnen sei eine schrille, in ihrem künstlerischen Ausdruck jedoch eher flache Darstellerin, blicken sich gleich nach der ersten Nummer mit hochgezogenen Augenbrauen an: Die ausverkauften Säle der Tournee erleben Satire erster Güte.

„Zarah in Hell“ war unter vielen Highlights sicher die Glanznummer in bester Theatertradition: Die Hölle ist ein gigantischer Bus auf Kaffeefahrt. Zarah Leander sitzt mittendrin und zieht mit rollendem „R“ und grabesgenervter Stimme über die Promi-Leichen an ihrer Seite her. Erich Honecker, Roy Black und Wim Thoelke: in der Hölle noch penetranter als im wirklichen Leben.

Warum es den Mainstream-Kritikern trotzdem so schwer fällt, Hella von Sinnen als begabte Schauspielerin anzuerkennen, hängt wohl eher damit zusammen, daß sie eine außergewöhnlich kluge Frau ist, der zudem jeder Anflug weiblicher Untertanen- Mentalität fehlt. Das provoziert eben. Christa Müller

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