: Freispruch gefordert
■ Verteidigung will Freiheit für DDR-Unterhändler Wolfgang Vogel
Berlin (AP) – Die Verteidigung von DDR-Unterhändler Wolfgang Vogel plädierte gestern vor dem Berliner Landgericht auf Freispruch. Die dreizehnmonatige Hauptverhandlung habe nicht ergeben, daß sich Vogel des Meineids oder der Erpressung von Ausreisewilligen schuldig gemacht habe, sagte sein Anwalt Wolfgang Ziegler.
Mit Empörung reagierte der Anwalt auf das Plädoyer der Anklage, die dreieinhalb Jahre Haft und eine hohe Geldstrafe verlangt hatte. Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher habe sich von „blankem Haß“ gegen den Angeklagten leiten lassen, sagte Ziegler und warf ihm Geschichtslosigkeit und mangelnde Objektivität vor.
Für den Fall einer Verurteilung stellte er einen Hilfsbeweisantrag. Er legte eine Auswahl von Schreiben von Zeitzeugen an den Angeklagten vor, darunter Hans-Dietrich Genscher, Günter Gaus und Hans-Jochen Vogel. Darin wird unter anderem die humanitäre Hilfe Vogels für Menschen in Not gewürdigt. Bei den Erpressungsvorwürfen sah die Verteidigung eine Schuld Vogels in keinem Fall zweifelsfrei erwiesen; hier stehe oft Aussage gegen Aussage.
Viele der einst bei Vogel um Hilfe suchenden ausreisewilligen DDR-BürgerInnen hätten sich bei ihren Zeugenaussagen in offensichtliche Widersprüche verstrickt, einige hätten „unverfroren gelogen“.
„Gnadenloses Vorgehen“ warf Ziegler der Staatsanwaltschaft beim Anklagepunkt Meineid vor: Wolfgang Vogel hatte in einem Zivilprozeß zunächst fälschlich angegeben, bei einer bestimmten Beurkundung persönlich dabeigewesen zu sein. Allein dafür hatte der Anklagevertreter am Montag zweieinhalb Jahre Gefängnis gefordert. Die Verteidigung hob dagegen hervor, daß sich Vogel damals ausdrücklich auf seine „gegenwärtige Erinnerung“ berufen habe. Damit sei der Tatbestand des Meineids nicht erfüllt.
Das Urteil wird Anfang nächsten Jahres erwartet.
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