: Armes Deutschland
■ Regenerative Energien und die Bundesrepublik Deutschland
Immer wieder erreichen uns Meldungen, daß in der Bundesrepublik Deutschland regenerative Energien gefördert werden. So wurde unlängst eine Fördersumme von sage und schreibe 100 Millionen Mark für die Jahre 1996-1998 von der Bundesrepublik angekündigt. Die Modalitäten sind zwar noch nicht so recht bekannt, aber man kann immerhin beim Wirtschaftsministerium schon Anträge einreichen.
Wem diese Summe als sehr gering erscheint, mag wohl Recht haben. Aber es gibt Fördermöglichkeiten, die man nur richtig anzapfen muß. Ich hätte da mindestens zwei Vorschläge.
Wie wäre es denn zum Beispiel mit einem Photovoltaikmodul in Form einer Landmine? Immerhin hat man in der Bundesrepublik von 1990–1994 rund 2,1 Milliarden Mark für die Forschung, Entwicklung und Beschaffung von Landminen ausgegeben. Allein 1994 waren es noch 368 Millionen. Im Jahr 1995 umfaßt dieser Etat noch 234 Millionen und 1996 sind es immerhin noch 110 Millionen (Theo Sommer, Die Zeit Nr. 43, 20. 10. 95, S. 8), also noch etwas mehr, als man für regenerative Energien in drei Jahren ausgeben will.
Das Geld für die regenerativen Energien könnten wenigstens zum Teil unsere Soldaten bei ihrem Einsatz in Bosnien einfahren, und zwar durch das Entsorgen von Landminen. Während die Produktionskosten einer einfachen Tretmine nur 4 Mark betragen, kostet ihre Räumung 1.500 Mark. Und man rechnet mit vier Millionen Minen im früheren Jugoslawien.
Mein zweiter Vorschlag wäre ein Solarkollektor für die Warmwasser- oder Raumwärmeversorgung in Form eines Braunkohlenbrikettbündels. Denn immerhin will die RWE-Tochter Rheinbraun für den Tagebau – Aufschluß Garzweiler II unter der Devise „Wir werden um Garzweiler kämpfen“ (Anonym, „Stromthemen“ Nr. 8, August 95, S. 1, Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft e.V.), 4,4 Milliarden Mark ausgeben. Für die Modernisierung und den Neubau von Braunkohlekraftwerken sollen noch einmal 20 Milliarden Mark zur Verfügung stehen. Da sollten doch noch ein paar Solarkollektoren abfallen?
Man bedenke: 24,4 Milliarden Mark für den Klimafeind Nr. 1, dem Kohlendioxid, 100 Millionen Mark für (oder besser gegen?) die regenerativen Energien.
Was könnte man sinnvoller mit diesen 24,4 Milliarden Mark machen? Heute kostet ein Kilowatt installierter Fotovoltaikleistung für den Kleinanwender rund 20.000 Mark. Nehmen wir an, daß in einem neuen X-Dächer-Programm diese 24,4 Milliaden Mark für 2 kWp-Fotovoltaikanlagen verwendet würden. Dann hätten wir schlagartig ein gewaltiges 610.000-Dächerprogramm. Ein Programm, das selbst das 70.000-Dächerprogramm der Japaner weit in den Schatten stellt! Die Wirkung eines solchen Riesenprogramms auf Industrie und Handwerk (und damit auch auf die Arbeitslosenzahl) mögen die ausrechnen, die mehr davon verstehen.
Oder ein weiteres Beispiel. In einem fotovoltaischen Großkraftwerk läßt sich das kWp mit Sicherheit heute für 15.000 Mark installieren. Das brächte eine installierte Leistung von immerhin 1.630 MW. Das entspräche etwa der 1,3fachen Leistung vom AKW Biblis 1. Den so oft angemahnten Platzbedarf für ein solches Großkraftwerk hätte man ja auf Garzweiler II. Und SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen hätten sicher nichts mehr zu meckern.
Aber leider haben wir vorerst nur die Zusage über die 100 Millionen Mark für die nächsten drei Jahre. Armes Deutschland. Wolfgang Gottschling, Berlin
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