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■ Di Pietro und die Weichenstellung für die nächsten WahlenDie Rache der alten Elite

Kein Zweifel: Keiner darf über dem Gesetz stehen. Auch ein Mann mit solchen Verdiensten um die Selbstreinigung Italiens wie der 1994 zurückgetretene und jetzt vor Gericht angeschuldigte Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro muß sich verantworten, wenn er gegen Gesetze verstoßen hat. Was sich in seinem Fall derzeit aber abspielt, hat nur wenig mit Durchsetzung geltender Normen, sondern sehr viel mehr mit Politik zu tun. Diverse Manöver, den Mann mit den konstanten 80-Prozent-Sympathiewerten von seinem geplanten Einstieg in die Wahlarena abzuhalten, gibt es seit Monaten. Und diese kommen von allen Seiten. Denn der dickköpfige Teufelskerl aus dem ländlichen Molise weigert sich beharrlich zu sagen, mit wem er politische Pakte eingehen will. Und so ist es am Ende allen lieber, er bleibt außen vor. Deshalb rührt sich auch kein Finger zu seiner Verteidigung. Di Pietro hat ein Prinzip italienischer Intriganz ignoriert: Wer sich isoliert, ist verloren.

Vom Strickmuster seines Charakters her ist der Aufsteiger – für sein Studium hat er in Deutschland malocht, als Polizist finanzierte er mit seinem Gehalt dann sein Jurastudium, schließlich wurde er Staatsanwalt – eher konservativ. Das bringt ihn eher in die Nähe der Berlusconi-Fraktion „Forza Italia“ und führt auch zu Sympathien bei den Neofaschisten. Doch bei der Rechten wirkt sein Erzfeind Berlusconi, und den möchte er auf alle Fälle aus der Politik drängen. Im linken Spektrum hat er die meisten ehrlichen Freunde. Doch nicht ganz zu Unrecht wittert er dort eine Sichtweise der Politik, die allzusehr in der Proporz-Mentalität der sogenannten „Ersten Republik“ verharrt, als deren Überwinder er sich betrachtet. So setzt sich Di Pietro beharrlich zwischen alle Stühle. Er hat nun alle Aussichten, das ähnliche Schicksal eines anderen Hoffnungsträgers zu nehmen, der vor zwei Jahren einige Zeit unaufhaltsam auf das Amt des Regierungschefs zuzusteuern schien: Mario Segni, Promoter des „Referendums-Paktes“, mit dem der Untergang der alten Nomenklatur politisch besiegelt wurde. Auch Segni zögerte – aus gutem Grund zwar, aber eben politisch verfehlt – zu lange, sein Ei definitiv zu legen. Heute ist Segni nur noch eine Randfigur. Di Pietro wird es am Ende noch schwerer haben. Über sein mögliches politisches Ende hinaus muß er sich über Monate, vielleicht sogar über Jahre mit Gerichtsverfahren herumschlagen. Italiens alte Elite mag geschlagen sein. Aber zur Rache an ihrem bisher effizientesten Feind reicht es immer noch. Werner Raith, Rom

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