piwik no script img

Gemischte Gefühle in Paris

■ Angebote der französischen Regierung beim „Sozialgipfel“

Paris (taz) – „Der Berg hat gekreißt und eine Maus geboren“, sagte Louis Viannet, Chef der kommunistischen Gewerkschaft CGT, am Ende der langen Nacht. „Enttäuscht“ war auch sein Kollege von der moderaten Force Ouvrière, Marc Blondel. „Mehr als zufrieden“ hingegen zeigte sich Regierungschef Alain Juppé am Ende des zehnstündigen „Sozialgipfels“ mit 41 Teilnehmern aus Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung.

Gegen ein Uhr morgens erklärte Juppé gestern, was er seinen Verhandlungspartnern angeboten hatte: Um die Konjunktur anzukurbeln, wird die Regierung im nächsten Jahr kleine Sparer von der Besteuerung der Zinsen befreien und den Kauf von Wohnungen mit zusätzlichen Anreizen fördern. Um die Arbeitslosigkeit zu senken, will sie versuchen, 250.000 zusätzliche Stellen für Jugendliche unter 25 Jahren zu schaffen und den Eintritt in das Rentenalter um ein Jahr vorzuziehen.

Andere konkrete Angebote gab es nicht. An der 0,5-Prozent-„Sondersteuer zum Abbau der Sozialschulden“ zum 1.Januar will die Regierung festhalten. Auch in der Frage des „Juppé-Plans“, der Senkung der Krankenkassenbeiträge, der Höhe der Mindestlöhne und der generellen Lohnhöhe im öffentlichen Dienst blieb die Regierung stur. Dreimal noch soll der „Sozialgipfel“ im kommenden Jahr tagen. Unter anderem soll es dabei um eine Verkürzung der Arbeitszeit gehen.

Während des Treffens im Hôtel Matignon fanden landesweit wieder mehrere Demonstrationen der CGT gegen den „Juppé-Plan“ statt. Schließlich erklärte CGT- Chef Viannet, die „Mobilisierung gehe weiter“. FO-Chef Blondel rief nicht zu neuen Demonstrationen auf. Er sprach jedoch von der „surrealistischen Seite“ des Sozialgipfels, der keinesfalls dazu angetan sei, die Gemüter zu beruhigen.

Relativ zufrieden mit den Ergebnissen zeigte sich die Chefin der sozialistischen Gewerkschaft CFDT, Nicole Notat. Das vorhandene Skelett müsse nun aufgefüllt werden, sagte die 48jährige Gewerkschaftschefin, die von vornherein nicht zu Protesten gegen den „Juppé-Plan“ aufgerufen und die Streiks im öffentlichen Dienst nur anfänglich unterstützt hatte.

Einverstanden war auch Arbeitgeberpräsident Jean Gandois, der nur widerwillig zu dem „Sozialgipfel“ gekommen war – und der Verhandlungen über Lohnerhöhungen und Arbeitszeiten ausdrücklich verhindern wollte. Juppés Konjunkturanreize nannte er „ein kleines Weihnachtsgeschenk“. Kritik daran hat er nicht. Dorothea Hahn

Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen