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Agenda 21 statt eines Plans

Expo 2000 in Hannover soll sich an der Agenda 21 des Erdgipfels in Rio orientieren. Was das heißt, wissen die Ausstellungsmacher nicht  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Die hannoverschen Weltausstellungsplaner sind in Zeitverzug geraten, und das konnte gestern selbst Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel nicht mehr verschweigen: „Unter hohem Druck müssen wir jetzt die Baumaßnahmen vorantreiben“, sagte die CDU-Politikerin in Hannover im Anschluß an eine Aufsichtsratssitzung. Und auch beim „Herzstück der Ausstellung“, dem dem Motto Mensch – Natur – Technik gewidmeten Themenpark, sieht Breuel nicht gerade optimistisch in die Zukunft: „Es wird eine ungeheure Leistung, den Themenpark in so kurzer Zeit noch hinzubekommen.“

Die Zeit wird knapp, schreibt die Generalkommissarin schlicht in ihrem Bericht an die Bundesregierung zum Jahreswechsel 95/96. In Deutschland überwiege weiterhin die Skepsis gegenüber der im Jahr 2000 geplanten Weltausstellung. Dem Expo-Leitthema Mensch – Natur – Technik mangele es weiter an inhaltlicher Ausfüllung, stellt auch Breuel fest, die einst höchstpersönlich die Initiative zu einer Weltausstellung in Hannover ergriffen hatte.

Schon im Jahre 1990 hatte die damalige niedersächsische Wirtschaftsministerin Breuel Hannovers Zuschlag für die Expo 2000 feiern können. Doch danach tat sich über Jahre wenig: Vier Jahre konnten sich Bund und Land Niedersachsen über die Finanzierung nicht einigen. Und die Ausrichtergesellschaft „Expo 2000 GmbH“, die dann endlich im Sommer letzten Jahres gegründet werden konnte, laborierte anschließend an ihrem Management.

Ihr erster Chef, der bedächtige Schweiger Konrad Heede, nahm nach gut einem Jahr seinen Abschied, just als er sich den Anspruch auf eine dem 600.000-Mark-Gehalt angemessene Abfindung ersessen hatte. Heedes Stellvertreter Andreas Grosz mußte dann vor einem Monat seinen Hut nehmen. Er konnte das überfällige Konzept für den 300.000 Quadratmeter großen Themenpark immer noch nicht liefern.

Ganze zwei Ereignisse sind für das Großereignis Expo 2000 bislang vertraglich fest unter Dach und Fach: Die ATP-Tennisweltmeisterschaft soll vom nächsten Jahr ab bis zur Expo in Hannover stattfinden. Und der Deutschrocker Peter Maffay wird auf der Expo fortlaufend sein Tabaluga- Kinder-Musical zum besten geben.

Mit den neuem Expo-Vorstand unter Theodor Diener soll allerdings nun alles anders werden, soll es jetzt zügig vorangehen. Auf der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag abend hat man endlich ein Themenparkkonzept beschlossen, das sozusagen als Ersatzmann der Leiter des Dresdner Hygienemuseums Martin Roth erarbeitet hat. Nun soll sich die große Ausstellung zum Expo-Thema Mensch – Natur – Technik besonders an der Agenda 21, dem Aktionsprogramm des Erdgipfels von Rio de Janeiro 1992, orientieren: Klima, Energie, Bevölkerung, Armut und Reichtum oder Information und Bildung sollen die Themen für die Weltausstellung sein.

Expo-Chef Theodor Diener machte gestern allerdings deutlich, daß der Schwerpunkt Agenda 21 eher aus Mangel an eigenen Ideen geboren wurde: „Wir haben uns sehr schwer getan mit der Suche nach leitenden Themenpaaren für die Ausstellung“, gab er gestern zu: „Irgendwann haben wir uns dann gesagt, warum suchen wir eigentlich nach Themen, wo doch alles schon in der Agenda 21 drinsteht.“

Als Martin Roth gestern das gerade beschlossene Themenparkkonzept näher erläutern sollte, glitt er denn auch sehr schnell ins Wolkige ab: „Im Themenpark geht es um den Menschen“, verkündete der Museumsdirektor. „Jeder Besucher bringt das eigene Exponat, den eigenen Körper mit und wird dort mit sich selbst konfrontiert.“ Ansonsten sprach der keineswegs ehrenamtlich arbeitende Expo- Berater nur von „einem äußerst aufregenden Projekt, das aber zur Zeit leider noch schwer zu beschreiben ist“. Theodor Diener selbst versprach, daß der Themenpark „ein Magnet fürs Publikum, ein Ort der Verunsicherung und gleichzeitig der Zuversicht werden“ würde.

Fest steht seit gestern immerhin, daß die Expo GmbH die weitere Planung ihres Ausstellungsherzstücks nun Dritten überantworten wird. Für die einzelnen Themen aus der Agenda 21 sollen nun wissenschaftliche Institute oder auch Museen gefunden werden, die „am besten schon morgen mit einem internationalen Dialog über ihr Thema beginnen“ sollen. Im Expo-Jargon heißen diese Institute nun ausgerechnet „Systemführer“.

Beim Pariser Weltausstellungsbüro B.I.E. hat Breuel eine Sonderbestimmung durchgesetzt, mit der die in Hannover ausstellenden Länder und internationalen Organisationen inhaltlich auf das Motto und auf den zentralen Begriff der Agenda 21, auf „Sustainability“ (Nachhaltigkeit) verpflichten werden. Die internationalen Aussteller haben der Generalkommissarin Breuel vorab ein Konzept ihres Beitrages vorzulegen, und die will nun dafür sorgen, daß alle Ausstellungsbeiträge auch ins Gesamtkonzept passen.

Gemeinsam beratend und diskutierend werden die Aussteller zur Befolgung der Richtlinien angehalten, versicherte Generalkommissarin Breuel gestern. Nach ihren Angaben haben bisher 32 Länder aus Afrika, Asien, Amerika und Europa ihre Expo-Teilnahme zugesagt. Insgesamt 180 Teilnehmerstaaten möchte Birgit Breuel gerne auf der Expo 2000 vertreten sehen.

Ihren ersten Beratungsfall in Sachen Nachhaltigkeit muß die Generalkommissarin allerdings keineswegs auf fernen Kontinenten suchen. Die im Bonner Wirtschaftsministerium beschlossenen „Leitlinien für die Auswahl von Themen für den deutschen Ausstellungsbeitrag“ sehen insgesamt drei Schwerpunkte vor, die allesamt zur Ausrichtung an der Agenda 21 passen: „A.: Staat, Gesellschaft und Kultur in Deutschland, B.: Deutschland als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort, C.: Deutschlands politische Rolle in Europa und in der Welt“.

Kritisieren mochte Birgit Breuel gestern eine derart traditionelle Präsentation der deutschen Nation allerdings nicht: „Ich kann da keinen Widerspruch zu den thematischen Vorgaben entdecken“, sagte sie. Der Gastgeber, der laut Breuel „die Agenda 21 wirklich ernstnehmen will“, legt den ohnehin luftigen Begriff Nachhaltigkeit besonders großzügig aus.

Übrigens hat der Zeitverzug auch ein Gutes. Die Expo GmbH hat weniger Geld ausgegeben als geplant, nicht aufgrund von Einsparungen, sondern „weil Ausgaben nach hinten hinausgeschoben wurden“.

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