Absender der Briefbomben bleibt unbekannt

■ Angeklagte im Wiener Indizienprozeß wurden aus Beweismangel freigesprochen

Wien (taz) – Mit Freisprüchen in den Hauptanklagepunkten endete am Donnerstag abend in Wien der Prozeß um die erste Briefbombenserie in Österreich vom Dezember 1993. Die beiden Hauptangeklagten, der Elektrotechniker Peter Binder (28) und der Jurastudent Franz Radl (28), konnten mangels Beweisen nicht verurteilt werden, wurden aber der „nationalsozialistischen Wiederbetätigung“ für schuldig befunden. Fünf Jahre Haft lautet das Urteil für Binder, drei Jahre für Radl. Letzterer, der bereits zwei Jahre in U-Haft gesessen hat, kam noch am selben Abend frei. Bei der Serie waren fünf Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Dem Wiener Bürgermeister Helmut Zilk zerfetzte eine Bombe die linke Hand.

Der Ausgang des Prozesses überraschte vorgestern niemanden. Das Beweismaterial war im Verlauf des Prozesses immer stärker ausgedünnt. Zahlreiche Ermittlungsfehler der Polizei traten zutage, von 200 genannten Zeugen erschienen nur knapp über 100. Selbst Staatsanwalt Sepp Dieter Fasching räumte in seinem Plädoyer ein, daß die Indizien im Prozeßverlauf teilweise „entwertet“ worden seien.

Gegen die Anklage sprach auch, daß Binder und Radl längst in Haft saßen, als weitere Briefbomben verschickt wurden, die laut einem Gutachten aus derselben Werkstatt stammten. Auch das Täterprofil paßt nicht auf die Angeklagten. Zwei Jahre nach der ersten Briefbombenserie geht man davon aus, daß die Täter „ältere Herren“ sind, intelligent, wahrscheinlich akademisch gebildet. Seit dem jüngsten Anschlag am Montag vergangener Woche geht die Polizei allerdings auch einer völlig neuen Spur nach. Dem Vernehmen nach wurden Briefe mit nicht detonierten Bomben gefunden, deren Marken religiöse Motive aufwiesen und zum Teil nicht mehr im Handel erhältlich sind.

Der Verteidiger Binders legte gegen die Verurteilung seines Mandanten gestern Berufung ein. Brigitte Zarzer