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Massaker in südafrikanischem Dorf

Ein Überfallkommando von 600 Mann tötet mindestens vierzehn Menschen und verletzt Dutzende. Hintergrund ist der politische Konflikt zwischen Inkatha und dem ANC  ■ Aus Kapstadt Kordula Doerfler

Rund sechshundert traditionell bewaffnete Zulu-Krieger sind am frühen Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages durch Izingolweni gestürmt, ein kleines Dorf an der Südküste der südafrikanischen Provinz Kwa Zulu/Natal. Nichts, worauf sie trafen, blieb verschont. Häuser wurden in Brand gesteckt, Menschen angegriffen, erstochen und zerstückelt. Mindestens 14 Tote und Dutzende von Verletzten lautete die traurige Bilanz der Polizei. Als sie am Tatort eintraf, waren die Angreifer geflohen. Die Überlebenden wurden evakuiert, so daß ein Polizeisprecher gestern morgen stolz vermelden konnte, die Nacht sei ruhig gewesen. Der Hintergrund des Attentats ist im politischen Konflikt zwischen der Inkatha-Freiheitspartei (IFP) unter Innenminister Mangosuthu Buthelezi und dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) unter Präsident Nelson Mandela zu suchen. Das Gebiet Shoba Shobane, in dem das Dorf liegt, ist eine ANC- Hochburg, und alles spricht dafür, daß es sich bei den Angreifern um Inkatha-Anhänger handelte. „Das war definitiv ein Racheakt“, erklärte Sergeant Denis Meyer von der Polizei. Jedes Jahr zu Weihnachten, wenn Hunderttausende von Minen-Wanderarbeitern zu ihren Familien zurückkehren, werden alte Rechnungen an politischen Gegnern beglichen. Das Massaker ist das dritte binnen zehn Tagen an der Südküste von Kwa Zulu/Natal. Am 15. Dezember waren in der Nähe von Port Shepstone zehn Menschen umgebracht worden. Vier Tage später traf Mandela mit Buthelezi zusammen; beide starteten eine Friedensinitiative für die Krisenprovinz. Doch am gleichen Tag wurden acht Frauen und Kinder umgebracht. Auch hinter diesen Massakern werden politische Auseinandersetzungen zwischen ANC und Inkatha vermutet.

Im Konflikt zwischen den beiden Gruppierungen sind in den vergangenen Jahren in Kwa Zulu/ Natal mehr als 13.000 Menschen ums Leben gekommen. Seit den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika ist die politische Gewalt in der Provinz zwar drastisch zurückgegangen. Trotzdem sind nach einer Statistik des „Komitees für Menschenrechte“ in Durban vor den drei jüngsten Massakern in diesem Jahr in Kwa Zulu/Natal immerhin noch 757 Menschen durch politische Gewalt getötet worden. Die Provinz ist die einzige, in der die IFP bei den Wahlen die Mehrheit erzielte. Zwar sitzt sie seither mit dem ANC und der Nationalen Partei in einer Dreierkoalition in der Provinzregierung, die Spannungen sind aber so groß, daß viele Gesetzesvorhaben auf Eis liegen. Auch die Kommunalwahlen, die in anderen Teilen Südafrikas am 1. November stattfanden, mußten in Kwa Zulu/Natal verschoben werden, weil keine Einigung über die Wahlkreise erzielt werden konnte.

In den ländlichen Gebieten regieren die meist inkathanahen traditionellen Häuptlinge mehr oder minder autokratisch. Sie befürchten durch die Wahlen einen Machtverlust. Wie wichtig sie sind, weiß auch Mandela. Er hat deshalb ein Gesetz durchgebracht, demzufolge die Häuptlinge künftig nicht mehr von der Provinz, sondern von der (ANC-geführten) Zentralregierung bezahlt werden. Buthelezi und die Mehrzahl der Häuptlinge lehnen das strikt ab. Das Provinzparlament hat daher ein Gesetz erlassen, das das genaue Gegenteil vorsieht.

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