: Guck mal, da fliegta
James Bond im Jahr der langen Königsgesichter: „Goldeneye“ von Martin Campbell mit einem gut eingecremten Pierce Brosnan als 007 ■ Von Mariam Niroumand
Das erste Ekel aller Bond- Verfilmungen überhaupt hieß schon Le Chiffre – gespielt von Peter Lorre, 1954, der Bond an einem Bakkarat-Tisch gegenübersaß, in der Serie „Climax Mystery Theatre“ bei CBS. Zeichenhaft, dem Comic verwandt, fast wie sein transatlantischer Arbeitskollege Batman, waren James-Bond-Verfilmungen traditionellerweise auf eine übersichtliche politische Großwetterlage angewiesen: hier West, da Ost; hier Freiheit, da Sozialismus; hier Mann, da Frau (bis zum Zwischenfall Grace Jones).
Das wundert wenig, wenn man bedenkt, daß die ersten Bond-Romane von einem britischen Millionärssohn stammten, der Journalist, dann Marineoffizier, dann wieder Journalist war und den mittleren Teil offensichtlich literarisch zu verlängern wünschte. Noch heute merkt man den Vorlagen die Aspirationen und Größenideen des politischen Reisejournalismus an, ebenso wie die damals noch vorhandenen Verzwirbelungen zwischen Zeitungs-, Diplomaten- und damit auch gleich Agentenmilieus.
Ian Fleming, Jahrgang 1908, war 1933 für Reuter nach Moskau gegangen und hatte Skandalöses nach Hause zu berichten gewußt: Wie zum Beispiel einer Gruppe von Metro-Vickers-Ingenieuren ein grandioser Schauprozeß gemacht wurde, weil die sowjetische Regierung sie verdächtigte, Spionage zu betreiben. Seine Stories waren vor allem detailbesessene Profile der Beteiligten, Mount Rushmore für die Auslandsseiten. Nach dem Krieg kaufte er sich ein formidables Haus auf Jamaika, wo er 1952 den ersten Bond-Roman fertiggeschrieben hat. Der Name des Helden ist geborgt von Flemings Lieblingsornithologen James Bond, dessen Buch „Birds of the West Indies“ stets am Frühstückstisch lag. Sein eigen Haus und Hof nannte er „Goldeneye“.
Amerikanische Filmgesellschaften waren zunächst etwas skeptisch; im voll entbrannten Kalten Krieg war „From Russia with Love“ vielen zu heikel, es fand sich kein großer Name für den Protagonisten, den im übrigen niemand kannte und der noch lange Zeit für eine weitere Inkarnation von Mike Hammer (!) gehalten wurde ...
Ganz das Gegenteil aber sollte er sein: Nicht die nackte, stählerne Exekutive, sondern eine klandestine Schutzmacht, ein Heiliger Sebastian der Königshöfe, Distinktion mit Augenbraue und Cocktailkirsche. Der Sex-Appeal entstand aus der Suggestion, daß ein Tier aus der Eleganz hervortreten könnte, wenn man 007 zu sehr reizt, oder gar ein Arbeiter.
Wer diese Balance halten konnte, durfte lange Bond sein: Sean Connery, der sich nicht nur als Lkw-Fahrer, Navy-Absolvent und Zementmischer verdingt hatte, sondern auch einmal für Mr. Universum nominiert gewesen war, hatte, was es brauchte (aus seinem blütenweißen Hemdsärmel schoß eine vielversprechende Behaarungsoffensive); Roger Moore, der englische Polizistensohn, hatte es und sogar noch ein Quantum ungefragten Humors dazu. Vor der Bondwerdung von Timothy Dalton lagen zermürbende Auseinandersetzungen zwischen Produktion und Studio, wie auch die Tatsache, daß die Actionszenen ins grob Brutale und damit Proletarische gerutscht waren: In „Lizenz zum Töten“ wurde aus dem Agenten seiner Majestät ein Rambond.
Daß Pierce Brosnan, der nun zur Aszension bestimmte Ire (!), gebeten wurde, sich während der Dreharbeiten stets ein wenig Bart stehen zu lassen, liegt daran, daß er, der vor einigen Jahren noch beim Beach Contest zu Amerikas „schönstem Mann in Badehose“ gewählt wurde, sonst einfach zu geleckt aussieht. Zugleich möchte man gar nicht so recht an ihm lecken; mit dem Sex-Appeal ist es ein bißchen vorbei.
Dafür ist das ganze jetzt von einer S/M-Komponente durchzogen. Dame Judi Dench gibt jetzt „M“, Bonds Chef, mit Butch-Frisur, Thatcher-Sound und einer Lizenz zur Beamtenbeleidigung: „Sie sind ein sexistischer, misogyner Dinosaurier“, sagt sie sachlich und gefaßt, und daß er bloß nicht versuchen solle, sich einzuschleimen. Das hat offenbar gesessen. Der neue Bond stürzt als Nichtraucher, Nichttrinker und Nichtmacho durchaus engelsgleich vom Himmel. Und dezidiert europäisch: Er trägt eine Schweizer Omega Seamaster, italienische Couture, englische Schuhchen (sind so kleine Füße) und einen rasanten BMW, als Abwechslung zum Aston Martin.
An der Front des Bösen steht zunächst die selbstverständlich rrrrassige Dame Xenia Onatopp (verstehen Sie die Melodie?), die Männer in ihrer eisigen Beinschere zu Tode zu quetschen pflegt. Daß sie mitunter sehr vampiresk zu grunzen genötigt wird, trägt einem nicht unbedingt mehr Respekt für sie ein.
Le Chiffre: „Goldeneye“ beginnt mit einem großen Verschiebebahnhof roter Hämmer und Sicheln, die auseinanderfallen und auf denen nackte Mädchen zu einem eigens komponierten Song von Tina Turner sich drehen und wenden. Schon kurz darauf wird ein hochbrisanter Tiger-Helikopter nach Sibirien entführt, wo sie sitzen und an einem Weltraumsatelliten basteln. Er heißt logischerweise „Goldeneye“ und ermöglicht die Beherrschung, weil Zerstörung der Welt (nicht zuletzt durch Zugriff auf Nummernkonten, auf Teleshopping und Channelhopping). Und weil die russische Mafia längst die Generalität in Form von General Ouromov (Gottfried John!) korrumpiert hat, soll das Goldauge zum Gottesauge mutieren.
Im Zentrum des Bösen sitzt 006, Bonds früherer Freund und Kollege, den ein gemeinsamer Einsatz in den kalten achtziger Jahren zum verbitterten Überläufer gemacht hat. Aber Bond-Fans wollen keine Psychomotivation! Wir brauchen das exzentrisch-künstlerische Böse: Wo ist Gert Fröbe? Curd Jürgens? Odd Job? Lotte Lenya? (Es waren immer gern Deutsche, Russen oder Chinesen).
Zu der politischen Pazifizierung ist die Sophistizierung der Drehorte gekommen. Während früher die Explosion gern an „exotischen Plätzen“ stattfand (ich sage: Udaipur! Iguaçu-Fälle! Österreich!), so wird heute viel in Modellen gedreht, in denen die Kameraleute herumgehen wie Alice im Wunderland.
Das macht, daß die ganze Sache seltsam jenseitig wirkt, nicht so ganz von dieser Welt, sondern immer ein bißchen wie Zinnsoldaten in einer Zuckerbäckerei. Irgendwie niedlich. Die Königin war zur Premiere nicht da. Aus „Goldeneye“ ist eben kein Staatsakt zu machen.
„Goldeneye“. USA 1995, Regie: Martin Campbell. Buch: Michael France, Jeffrey Caine. Kamera: Phil Meheux. Mit: Pierce Brosnan, Sean Bean, Gottfried John, Robbie Coltrane, Judi Dench, Famke Janssen, Izabella Scorupco.
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