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Zugeständnisse an die Werwolfnatur

■ Geld gegen Zinsen zu verleihen, das verbot die Bibel – zum Nutzen der Menschen. Teil 3 der taz-Serie übers Geld

Wer auf Zins leiht und Zuschlag nimmt, soll der am Leben bleiben? Er muß sterben, sein Blut komme über ihn! (Hesekiel, 18,13)

Lange Zeit war das in Bibel und auch im Koran festgehaltene Zinsverbot nahezu in Vergessenheit geraten. Dabei hatte auch Moses vom Berg Sinai ein Zinsverbot mitgebracht, eingebettet in weitere Regeln: ein „Erlaßjahr“, wonach in jedem siebten Jahr alle Schulden zu erlassen sind, und ein „Halljahr“, das im 50. Jahr den Besitz an Boden an den ursprünglichen Eigentümer zurückfallen läßt. Für das Volk ein Grund zum Jubeln, was sich bis heute in dem Begriff „alle Jubeljahre“ niederschlägt.

Nun verboten die mosaischen Gesetze dem jüdischen Volk das Zinsnehmen nur untereinander, nicht aber gegenüber Fremden. Als den Juden auf dem Höhepunkt der allgemeinen Geltung des Zinsverbots im christlichen Mittelalter der Zugang zu Handwerkszünften und Ackerbau versperrt war, schlüpften sie als Geldverleiher in die Rolle des Sündenbocks.

Daß die Christen, denen von der Zeit Karls des Großen bis ins 15. Jahrhundert für das Zinsnehmen sofortiger Kirchenausstoß und Kerker drohte, das Verbot überhaupt so lange durchsetzen konnten, hatte mit einer umsichtigen Finanzpolitik zu tun. Der Umlauf des Geldes wurde statt mit dem Zuckerbrot Zinsen durch Peitschenschläge gewährleistet: Nach Ablauf einer Frist wurde das Geld ungültig und mußte zu schlechterem Kurs gegen neues umgetauscht werden.

Auf diese Methode, das Horten von Geldschätzen zu verhindern, hatte schon der Revolutionär Spartakus zurückgegriffen. Er brachte statt beständigem Edelmetall rostendes Eisengeld in Umlauf. Immerhin führte die regelmäßige „Verrufung“ des Geldes zwischen 1150 und 1350 zu jenem von den Historikern erst jüngst wiederentdeckten Wohlstand und die soziale Ausgeglichenheit des „Goldenen Mittelalters“.

Wie eng später der ökonomische und soziale Niedergang im 14. und 15. Jahrhundert mit der Einführung harten, beständigen Geldes einherging, wird unter anderem in Martin Luthers leidenschaftlichen Schriften gegen den Zinsnehmer als „Werwolf“ deutlich.

Der zum christlichen Konzernherrn aufgestiegene Jakob Fugger hingegen protegierte lieber den Theologie-Professor Johannes Eck und erhielt von ihm dafür ein Gutachten, daß ein effektiver Jahreszins bis zu fünf Prozent mit dem Himmelreich durchaus vereinbar sei. Dieses Zugeständnis an die Werwolfnatur, das nur die Überhöhung, nicht aber den Zins schlechthin als Wucher brandmarkte, setzte sich durch. Mathias Bröckers

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