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Russischer Außenminister bleibt zunächst im Amt

■ Entscheidung über Rücktritt Kosyrews ist auf Januar vertagt. In Tschetschenien wird weiter gekämpft. Gudermes erstmals für Hilfslieferungen geöffnet

Moskau/Grosnyj (AFP/rtr/AP) Der russische Außenminister Andrej Kosyrew bleibt vorerst im Amt. Nach einem Treffen mit Boris Jelzin sagte Kosyrew am Mittwoch, eine Entscheidung solle erst fallen, wenn der Präsident wieder seine Amtsgeschäfte vom Kreml aus führe.

Eine für den Nachmittag vorgesehene Pressekonferenz Kosyrews wurde nach der Begegnung zwischen den beiden Politikern abgesagt. Kosyrew wies zudem Vermutungen zurück, der am Vortag von Jelzin gegründete Rat für Außenpolitik bedeute eine teilweise Entmachtung des Außenministeriums. Das Ministerium werde weiter die koordinierende Behörde bleiben und eine zentrale Rolle spielen, sagte er. Das Treffen hatte Spekulationen über einen baldigen Rücktritt Kosyrews hervorgerufen, den Jelzin bereits im Oktober angekündigt hatte. Der Präsident hatte sich damals von seinem Minister distanziert und gesagt, er suche einen Nachfolger. Die Kommunisten und die russischen Nationalisten verlangen die Ablösung Kosyrews, der nach ihrer Auffassung eine zu sehr prowestliche Politik verfolgt. Kosyrew hatte vergangene Woche erstmals Rücktrittsgedanken geäußert. Der Außenminister muß sich bis zum 17. Januar entscheiden, ob er im Amt bleibt oder sein per Direktwahl erzieltes Mandat in der Duma wahrnimmt. Ein Abgeordneter kann nach russischem Recht nicht gleichzeitig Minister sein. Am Dienstag hatte daher bereits Vizeministerpräsident Sergej Schachraj seinen Rücktritt eingereicht.

In Tschetschenien gingen unterdessen die Kämpfe weiter. Unabhängigkeitskämpfer und russische Truppen lieferten sich in der Nacht zu Mittwoch wieder heftige Kämpfe in der Umgebung von Grosny. Zu Gefechten kam es auch nahe der Ortschaften Atschoi-Martan, Bamut, Orechowo und Wedeno. Angaben der russischen Nachrichtenagentur Itar- Tass zufolge wurden dabei drei russische Soldaten und neuen Rebellen getötet. Aus dem Bergort Schatoi 50 Kilometer südlich von Grosny flüchteten etwa 8.000 Menschen. Offenbar fürchten die Bewohner dort neue Kämpfe. Bereits am Vortag war Gudermes erstmals für Hilfslieferungen geöffnet worden.

Vertreter der Roten Kreuzes sprachen von einer schwierigen Situation. Alle drei Krankenhäuser seien zerstört. Bei den Kämpfen in der zweitgrößten Stadt der Kaukasusrepublik waren nach Angaben der moskautreuen Regierung Tschetscheniens bis zu 200 Zivilisten getötet worden. Ein Vertreter der russischen Verwaltung hatte gesagt, bei den Kämpfen seien über 260 Zivilsten ums Leben gekommen.

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