: Novi Grad – Die „Neue Stadt“
■ Bosnische Serben wollen eine neue Hauptstadt an der Drina bauen – als „Brücke zwischen einem Volk in Ost und West“
Belgrad (AFP) – Monumental thront die orthodoxe Kirche mitten im Zentrum der „Stadt der Zukunft“. Wie Sonnenstrahlen ziehen sich Straßen von dem sakralen Gebäude in die Außenbezirke des kreisförmig angelegten Ortes. Am Stadtrand gehen sie in gut ausgebaute, mehrspurige Verkehrswege über, die die serbisch kontrollierten Gebiete in Bosnien miteinander verbinden. Bislang existiert Novi Grad, die „Neue Stadt“, zwar nur auf dem Reißbrett. Die Planungen sind allerdings schon weit fortgeschritten: Entstehen soll der Ort bei Bijeljina im Nordosten Bosniens am Ufer der Drina. Sechs Entwürfe hat der Direktor des Belgrader Instituts für Stadtplanung, Mirko Radovanac, in die engere Wahl genommen. „Dieser Ort wird die wahre Hauptstadt der bosnischen Serben werden“, sagt er stolz.
Konkrete Züge hat der Traum von einer neuen Hauptstadt seit der Einigung von Dayton angenommen. In dem Friedensabkommen wird nämlich die Existenz einer Serbischen Republik als Teil des bosnischen Staates festgeschrieben. Und da eine Republik ein Zentrum braucht, begann die Suche nach einem Standort: Der Regierungssitz Pale wurde verworfen, weil er zu nah an Sarajevo liegt, das durch den Friedensvertrag vollständig unter muslimische Kontrolle gestellt wird. Die größte serbisch kontrollierte Stadt in Nordbosnien, Banja Luka, gilt als zu abgelegen und ist auf dem Landweg zudem nur über das umstrittene Nadelöhr, den Posavina- Korridor, zu erreichen. Novi Grad bietet nach Ansicht von Planungschef Radovanac hingegen schon aufgrund ihrer Lage einen unbestreitbaren Vorteil: „Es ist für die Flüchtlinge aus Bosnien und Kroatien leicht zu erreichen.“
15.000 Menschen sollen in einer ersten Phase in Novi Grad eine neue Heimat finden. Für ihre Ansiedlung hat die Gemeinde Bijeljina bereits 50.000 Hektar Land zugesagt. Die Investitionen belaufen sich nach ersten Schätzungen in der Anfangsphase auf umgerechnet rund 4,3 Milliarden Mark. Ein detaillierter Bebauungsplan soll bis Ende März vorliegen. Der erste Spatenstich ist für den 12. Juli geplant. An einem 12. Juli begann das serbische Ehepaar Pavlovic mit dem Bau einer Brücke über die Drina, um serbischen Flüchtlingen aus Bosnien den Weg nach Serbien zu erleichtern. Als erstes sollen Geschäftsviertel und ein Forschungszentrum gebaut werden. Und wegen der Thermalquellen von Dvorovo hoffen die Planer sogar auf Touristen.
Hochglanzbroschüren in englischer und in serbischer Sprache beschreiben die zukünftige Hauptstadt der bosnischen Serben als „Brücke zwischen einem Volk in Ost und West“.
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