Kommentar: Marktplatz-Krawall
■ Der Irrsinn ist kein Privileg des Viertels
Kein Krawall am Sielwall, keine Palaverrunden danach in Bürgerhäusern, keine Debatte um Konsequenzen und daß die Polizei wieder mal nicht richtig agiert hat. Borttscheller hatte die Kälte und die Lustlosigkeit der Szene und die bewaffneten Massen auf seiner Seite. Nochmal davongekommen, Viertel – man könnte zur Tagesordnung übergehen.
Doch es bleibt am Ende doch ein mulmiges Gefühl. Wie bequem es möglicherweise doch all die Jahre war: Die bösen Buben aus dem Viertel waren als das Problem ausgemacht. Von denen, die einen Supermarkt angezündet haben, obwohl da Menschen drüber schliefen, von denen, die die Scheiben auch von kleinen Krauterläden einschmissen, von denen konnte sich die Stadt prima distanzieren. Bloß: Der Irrsinn ist kein Privileg des Viertels. Das beweist der Blick auf den Marktplatz. Eine Flasche fliegt am Sielwall – und eine Hundertschaft wird in Bewegung gesetzt. Doch welcher Polizist greift den Idioten ab, der ein paar hundert Meter weiter mit „Prost Neujahr“ einen Kanonenschlag in eine Menschenmenge schmeißt? Wirft sich dem einer in den Arm? Und welcher Innensenator denkt auch nur eine Minute darüber nach? So gesehen war all die Jahre der Sielwall nur die Jugendausgabe des Marktplatzes. Der Sielwall bleibt ein Problem, der Marktplatz ist eines. Gründe genug, sich auch um beides zu kümmern. Jochen Grabler
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