Feminismus, Trivialität und Kunsterkenntnis

■ Die Ausstellung „Cherchez la femme“ im Kunsthaus dokumentiert die Schwierigkeiten einer „weiblichen“ Ästhetik

Am Eingang sind Revolver auf die Besucher gerichtet, drinnen an einer Säule im Kunsthaus ist eine Frau kopfüber aufgehängt. Cherchez la Femme heißt die ausschließlich Künstlerinnen (achtzehn an der Zahl) gewidmete Ausstellung, die mit Silvia Elisabeth Hautmanns Fotos von New Yorker Schießübungen (Männer als waffengeile Täter) und den Selbstfesselungsfotos von Ane Königsbaum (die Frau als Opfer) ein bißchen angestaubten Radikalfeminismus zitiert.

Zitieren ist angesichts einer Realität voller Widersprüche noch immer ein bequemes künstlerisches Geschäft: Wenn Anke Mellin den Visitenkartenfotos von Frauen um 1900 eine Reihe Puppen zuordnet, werden automatisch ganze Sets von platten Vorurteilen aufgerufen. Auch sichert das Einlassen auf die Niederungen der Trivialität nicht zwangsläufig Kunsterkenntnis: Da stickt die Hamburgerin Petra Maitz auf 230x160 cm großem schwarzem Leinen einen sich aufbäumenden Hengst. Nichts an diesem Pferd weist allerdings darauf hin, daß es sich um mehr als einen ollen Wallach handelt, und die Ironieebene des Ganzen ist so dünn, daß es um die vertane Zeit schade ist.

Zeit manifestiert sich auch in Benita von Lafferts Haufen aus geknotetem Kunststoff und Zeitungsfotos. Auch diese Arbeit vermittelt sich jenseits der investierten Mühe nur mit umständlichen Gehirnverrenkungen: Die Parzen puzzeln Kunst – Stoff zu einer beliebigen Geschichte.

Die Antike bietet immer noch guten Mythenstoff für Identitätsfindungen. Ein großer Kreis von Terrinendeckeln wird zum Kultort der (M)Amazone, die abgeschnittenen Brüste der freien Kämpferin zum Haushaltsobjekt treuer Fürsorglichkeit (Anna Popova).

Legenden vom verborgenen Schatz der Erotik lassen sich anhand der Fetischobjekte von Ulrike Johannsen aus Wien studieren, doch das technisch und inhaltlich stärkste Objekt der Ausstellung pfeift sogar hinter dem Besucher her und heischt um Aufmerksamkeit. Es ist die interaktive Peep-Show von Lynn Hershman aus San Francisco. Zwar kann der Betrachter eine Frau beim Telefonsex, beim Umkleiden und im Bett beobachten, setzt sich aber auch wüsten Beschimpfungen aus und wird schließlich brutal auf sich selbst verwiesen.

Überhaupt kommen die „neuen“ Medien der Komplexität heutiger Rollendefinitionen am ehesten auf die Spur. Eine Choreographie weiblichen Alltagswahnsinns zu Wagners Tristan und Isolde zeigt Mira Popova in Ihrem Video Frauengold, aber am nächsten an der brutalen Medienwirklichkeit von heute sind die Videos von Marina Grzinic und Aina Smid aus Slovenien mit ihren bruchstückhaften Lebensgeschichten und der alles überlagernden Kriegsrealität in Ex-Jugoslawien. Daß reale Gewalt und deren Bild in den Medien verschwimmen, ist wesentlich schlimmer als die unscharfe Grenze zwischen den Geschlechtern.

Die zahlreichen Wesen zwischen Mann und Frau werden von Leslie Frey aus Vermont bedient. Ein ganzes Kabinett bietet zarte Dessous für Larven, Hermaphroditen, Gazeplastiken zu selbstreferentieller Sexualität und anderen Geschlechtervarianten. Bei der Berlinerin Bettina Hoffmann dagegen reduziert sich die Vielfalt auf Selbstbespiegelung. In ihren Wandzeichnungen drückt sie comicartig ihre Stimmungen in Gruppierungen von Personen aus: jede davon sie selbst. Daneben hat sie zwei übergroße Handtuchhaken gehängt, jeweils einer für den Mann und die Frau.

Man muß Bettina Hoffmann recht geben, als Neuentdeckung ist das Geschlechterthema längst abgehakt, auch wenn es – natürlich – immer eine Berechtigung hat. Frauen haben längst ihre jeweilige Kunst gefunden, die so oder anders, aber eben keine Frauenkunst ist. Insoweit locken Ausstellungen, wie diese von Annette Nolte-Jacobs und Monika Penndorf zusammengestellte, bewußt auf eine falsche Fährte. Aber das zu erkennen ist ja auch schon was.

Hajo Schiff

Kunsthaus BBK, Klosterwall 15, noch bis 14. Januar