■ Die Bespitzelungen im Flüchtlingsheim Landsberg alarmieren Staatsanwaltschaft, Datenschützer und bayerische Politik. Landsberg ist kein Einzelfall - doch wehren können sich die Überwachten kaum
: Kontrolle total: Sicher ist sicher

Die Bespitzelungen im Flüchtlingsheim Landsberg alarmieren Staatsanwaltschaft, Datenschützer und bayerische Politik. Landsberg ist kein Einzelfall – doch wehren können sich die Überwachten kaum

Kontrolle total: Sicher ist sicher

Was treiben bloß Wachschützer in bayerischen Flüchtlingsheimen? – Die Bespitzelung von AsylbewerberInnen durch private Sicherheitsfirmen hat sowohl die Staatsanwaltschaft als auch den Datenschutzbeauftragten und die Parteien im bayerischen Landtag auf den Plan gerufen.

Nach Recherchen der taz hat Thaddäus Chmiel, Privatdetektiv und Chef der Wachschutzfirma „BWS Sicherheitsdienst“, Asylbewerber in Landsberg am Lech bespitzelt, weil sie im Verdacht standen, schwarz zu arbeiten. Der Auftrag kam vom Leiter der Aufnahmeeinrichtung, Rolf Cavelius. Zehn BWS-Angestellte sind rund um die Uhr im Heim beschäftigt. Unter anderem notierten sie an der Pforte akribisch, wann welcher Asylbewerber das Heim verläßt.

Gestern hat sich der bayerische Datenschutzbeauftragte Reinhard Vetter vor Ort informiert. Vetter schickte seine Leute auf das Gelände des Landsberger Flüchtlingsheims, um zu prüfen, wie die Zu- und Abgangskontrolle der AsylbewerberInnen aussieht. Die oberbayerische Regierung als Träger der Einrichtung hatte zugegeben, daß in mindestens zwei Fällen Asylbewerber bespitzelt wurden, weil der Verdacht auf Schwarzarbeit bestünde. Datenschützer Vetter: „Es bleibt zu prüfen, ob selbst in Verdachtsmomenten derartige Kontrollen durchgeführt werden dürfen. Offen ist auch die Frage: Was ist überhaupt ein begründeter Verdacht? Dazu muß sich die Regierung äußern.“

Alarmiert ist inzwischen auch die Justiz. Zuständig für Landsberg ist die Staatsanwaltschaft in Augsburg. Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz prüft derzeit, „ob eine Straftat in Betracht kommt und wer zur Verantwortung gezogen werden kann“. Bisher habe er vom Generalstaatsanwalt aber keine Weisung erhalten. Die Aufsichtsbehörde für die Asyleinrichtungen der Regierung von Oberbayern – das Sozialministerium – will erst einschreiten, wenn die Oberbayern „nicht handeln sollten“. So Ministeriumssprecher Anton Haußmann. „Es wäre blanker Unsinn, einen Bewachungsdienst zu engagieren, um hinter Asylbewerbern herzuspionieren. Schon aus wirtschaftlichen Gründen.“

Die Grünen-Abgeordnete Elisabeth Köhler richtete gestern eine schriftliche Anfrage an die bayerische Staatsregierung. Köhler will die Rolle von privaten Bewachungsfirmen in bayerischen Asylbewerberheimen klären. Unter anderem soll die Regierung Auskunft geben, in wie vielen Einrichtungen Wachschützer beschäftigt sind, was sie kosten, nach welchen Kriterien sie ausgesucht werden und welche Kompetenzen sie haben. Grundtenor von Köhlers Anfrage: „Welche Maßnahmen wird die Staatsregierung ergreifen, um zu verhindern, daß es zu rechtswidrigen Kompetenzüberschreitungen der Wachmannschaft kommt?“

Die SPD plant eine Fragestunde im Landtag. Abgeordneter Franz Schindler: „Was in Landsberg passiert ist, darf keiner machen. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit ist es ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dieser Menschen.“

Nur die Polizei darf beim Verdacht auf eine Straftat, zum Beispiel Schwarzarbeit, ermitteln und einschreiten. Privaten Firmen fehlt die Rechtsgrundlage.

Trotzdem haben AsylbewerberInnen keine große Chance, sich gegen solche Übergriffe zu wehren. Sie könnten nur auf privatrechtlicher Ebene reagieren und eine Unterlassungsklage gegen die Wachschützer einreichen. Berufen könnten sie sich dabei auf das „Recht auf Freizügigkeit“, Artikel 2 und 11 Grundgesetz. bam/hek