: Fehler eingeräumt
■ Nach Kältetod eines Obdachlosen häufen sich Vorwürfe gegen die Feuerwehr
Ein 60jähriger obdachloser Mann ist in der Nacht zu Donnerstag in den Wallanlagen vermutlich erfroren. Und die Vorwürfe gegen die mit der Suche des Mannes betraute Feuerwehr häufen sich – auch in den eigenen Reihen. „Da hat es Fehler, Probleme und Versäumnisse gegeben“, räumte Pressesprecher Herbert Martens gestern ein.
Bereits um 17.32 Uhr sei bei der Einsatzzentrale ein Notruf eingegangen. Ein Passant habe den hilflosen Mann auf einer Treppe nahe der Eisbahn gefunden, mit ihm gesprochen und die Feuerwehr alarmiert. „Er hat sehr detaillierte Ortsangaben gemacht“, meinte Martens. Warum die Besatzung des Rettungswagens den Obdachlosen nicht fand, sei noch unklar. Die Sanitäter hätten den Bereich sorgfältig und weiträumig abgesucht.
Der Spaziergänger, der am frühen Abend die Feuerwehr benachrichtigt hatte, fand den Obdachlosen viereinhalb Stunden später tot auf – an derselben, detailliert beschriebenen Stelle. Eine disziplinarische Untersuchung soll nun klären, warum die Feuerwehr nach der erfolglosen Suche nicht erneut mit dem Passanten Kontakt aufnahm; er hatte seine Telefonnummer in der Zentrale hinterlassen.
Erst nach einer Obduktion stehe fest, ob der Mann tatsächlich erfroren sei, sagte Polizeipressesprecher Wolfgang Ketels. Diese Annahme sei natürlich naheliegend, räumte die Pressestelle der Gesundheitsbehörde ein. Für mehrere Hamburger Obdachloseninitiativen ist das allerdings jetzt schon Gewißheit. Sie fürchten, daß dieser „Kältetote“ nicht der letzte bleiben wird. „Es dürfen nicht noch mehr Menschen sterben, weil sie auf der Straße leben“, sagte Dr. Stephan Reimers, Diakoniechef und Herausgeber der Obdachlosenzeitung Hinz & Kunzt.
Die Initiativen bekräftigen daher erneut ihre Forderung, daß U- und S-Bahnschächte bei klirrender Kälte nachts als Schlafplatz für Wohnungslose geöffnet bleiben sollten. Es fehle auch an kleinen, dezentralen Anlaufstellen. Die Zustände in den Massenunterkünften seien für viele Obdachlose derart unerträglich, daß sie trotz Eiseskälte weiterhin draußen schlafen.
Stefanie Winter
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