: Vögel gemeinsam sind stark
■ Seltene Exemplare haben nur in Schutzgebieten Überlebenschance / BUND-Bilanz
Vogelland ist überall – doch in Vogelland herrscht Krieg. Ob zu Wasser, zu Lande oder im Sumpf, das kleine Federvieh hat tausend Feinde, allen voran der Mensch mit seinen Bebauungsplänen. Damit gräbt er dem heimischen Kiebitz, der Bekassine und selbst dem harmlosen Kampfläufer buchstäblich das Wasser ab. Schon lange warnen Vogelexperten deshalb vor der Ausrottung verschiedener Vogelarten. Mehr noch als Singvögel seien Wiesenvögel bedroht, die in Feuchträumen leben, sagt der Bremer Vogelschützer Heinrich Müller. Nur Braunkehlchen und Brachvogel würden nicht weniger, konstatierte das Vorstandsmitglied des Bremer Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gestern. „Die Bestände anderer Vogelarten haben sich in den vergangenen zehn Jahren jedoch fast halbiert.“
Doch der BUND hat auch Positives zu vermelden: Obwohl die Wiesenvögel allgemein auf dem Rückzug sind, gelte dies nicht in den Bremer Naturschutzgebieten. In den Reservaten würde munterer gepiept als je zuvor. „Dort hat sich der Bestand heimischer Vogelarten erhalten und zum Teil sogar erhöht.“ Umso dringender sei die Ausweisung weiterer Naturschutzflächen.
Ganz oben auf der Vorschlagsliste für Schutzgebiete des BUND stehen die Wiesen im Werderland. Sie sollten dringend geschützt werden, verlangt der BUND aufgrund eigener Vogelbeobachtungen, die er seit einigen Jahren auf dem Gelände durchführt. Auf einer 80 ha großen Fläche hat er dafür extra einen eingedämmten Polder eingerichtet. Seit der von Dezember bis Mai geflutet wird, läßt sich dort selbst die Bekassine häufiger blicken, die andernorts immer rarer wird, weil sie ohne feuchte Füße kaum leben kann – ihr Vorkommen hat sich in den letzten zehn Jahren deshalb fast halbiert. Statt der 550 Bekassinenpaare von 1981 wurden 1993 nur noch 270 gezählt. Ähnlich drastisch schrumpfte die Population der Uferschnepfe: In zehn Jahren sank der Bestand von 800 Paaren auf 290. Schuld daran sei vor allem die Siedlungsausdehnung in den Bremer Feuchtwiesengürtel. Obwohl der in Deutschland einmalig sei, werde er immer mehr durchlöchert, kritisiert der BUND. Jüngstes Beispiel: das Überschwemmungsgebiet der Ochtum.
Seit in Brockhuchting die Bebauung geplant ist, befürchten die Vogelschützer auch dort einen weiteren Auszug der Wiesenvögel. „In der Nähe von Häusern siedeln die Tiere einfach nicht“, sagt Martin Rode. Ähnliches hat der BUND-Mitarbeiter auch im Hollerland beobachtet, das ansonsten, ebenso wie die Borgfelder Wümmewiesen, „eine einmalige Vogelvielfalt“ aufweise. „Wer dort hineingeht, ist umgeben von Wiesenvögeln. Die steigen dann in Schwärmen auf“, berichtet auch Heinrich Müller. Er wertet das als gutes Zeichen: Eine gewisse Siedlungsdichte garantiere das Überleben der Vögel gegen natürliche Feinde. Neulich erst beobachtete der Vogelfreund einen Schwarm von Kiebitzen und Rotschenkeln, die gemeinsam mit einer Krähe einen Fuchs vertrieben – obwohl die Krähe sonst die Nester der Wiesenvögel ausräubere.
ede
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