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Eiswette diesmal: Die Weser „geiht“

■ 2.000 Schaulustige am Weserufer

Tradition fordert Tribut. Also zogen sich die Vorstandsmitglieder der „Eiswette von 1829“ in Bremen ihren Gehrock an, setzten stilgerecht einen Zylinder auf und versammelten sich am Samstag mittag pünktlich um zwölf Uhr an der Weser. Bei strahlendem Sonnenschein und leichtem Frost verfolgten fast 2. 000 kleine und große Bremer das Spektakel, zu dem auch die in bunte Kostüme gekleideten Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar erschienen.

Zum 166. Mal verlangten die Statuten des Vereins am 6. Januar festzustellen, ob die Weser „geiht“ (geht, fließt) oder „steiht“. Ein 99 Pfund schwerer Schneider soll danach mit einem heißen Bügeleisen in der Hand das Eis prüfen und die Weser überqueren. Obwohl unzählige kleine Eisschollen den Fluß abwärts trieben, entschloß sich der Schneider, es gar nicht erst zu Fuß zu versuchen, sondern Hilfe in Anspruch zu nehmen. Flugs stieg er auf das Tochterboot „Erika“ des Seenotkreuzers „Vormann Leiss“ und ließ sich über die Weser setzen.

Das entsprach wieder einmal nicht den Statuten, bemerkte der „Notarius publicus“. Um die Wette dennoch entscheiden zu können, warfen die ehrwürdigen Herren Steine ins Wasser. Dann verkündete der Vorsitzende des Eiswett-Vereins: „Die Weser geiht“ Damit stand fest: Die Verlierer müssen den Festschmaus am 20. Januar bezahlen.

Zu dem Stiftungsfest kommen 700 Kaufleute, Industrielle und Reeder - ausschließlich Männer –, um sich an dem Nationalgericht Kohl und Pinkel zu laben. Die Rede auf „Deutschland und Bremen“ soll nach Angaben des Eiswett-Präsidiums in diesem Jahr der polnische Schriftsteller und Philosoph Andrzej Szczypiorski halten. Für die Gästerede sei der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf vorgesehen. Außerdem werden für die nächsten Winter Lose auf „Zu“ oder „Offen“ gezogen. Denn freiwillig wettet heute keiner mehr, daß die Weser zufriert. Das beim Eiswett-Essen zu spendende Geld wird an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) überwiesen.

Erstmals ausgetragen wurde die Wette 1829 von einem wettfreundigen Freundeskreis. Sie hatte einen ernsten Hintergrund: Fror die Weser zu, lag die Schiffahrt still, und es kam damals oft zu der gefürchteten Unterbrechung des Handels. Seit der Weser-Korrektur Ende des vorigen Jahrhunderts ist eine geschlossene Eisdecke selten geworden. Im Stadtgebiet fror der Fluß nur noch 1917, 1929, 1946 und 1947 zu. Der Weg zu den Seehäfen blieb jedoch seit der Weser-Korrektur offen. dpa

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