: Vernetzte Pornographen
■ betr.: „Zensur im Cyberspace“, „Die Moral der Biedermänner“, taz vom 30./31.12. 95, „Compu Serve zensiert mit dem Beil“, taz vom 2. 1. 96, „Wer sucht, weiß, was er finden will“ etc., taz vom 3. 1. 96
Ich suche, und ich weiß, was ich finden will: den Beitrag einer weiblichen, wenn's geht feministischen Schreiberin zum Thema in der taz und zwar genau in der Ausgabe, in der sich – an prominenter Stelle – zwei (!) Männer äußern können.
Wer sucht, weiß, was er finden will: „Bilder und Texte zu jeder Spielart menschlicher Sexualität“. Mag sein, daß dies auch im Internet zu finden ist. Pornographie dagegen beschreibt nicht beliebige „Spielarten“, sondern sie zeigt Personen (Frauen, Kinder) in sexistischen Stereotypen, die auf die Erregung und Befriedigung in der Regel männlicher Begierden ausgerichtet sind. Das ist eben mehr als „Schweinkram“, wie Sandbothe beschönigend formuliert, das bedeutet die Erfüllung hierarchisch gemeinter Geschlechterrollen und oft konkrete Gewalt: Gewaltphantasien von Männern, die sich gegen Frauen und Kinder richten und die geeignet sind, wirkliche Gewalt mindestens zu fördern. Das Wort von „Spielarten“ verschleiert und rechtfertigt die Hierarchien zwischen Männern und Frauen, beschönigt die Gewalt. Pornographie ist von der Ideologie durchdrungen, daß es quasi naturgegeben sei, daß Männer Frauen besitzen, überwältigen, verletzen. Daß Männer die Existenz von Pornographie als „Schweinkram“ und „Spielarten“ beschönigen, ist Teil dieser Ideologie. Ob davon, ob von Pornographie „die Welt nicht untergeht“, wie Sandbothe meint, wird aus der Sicht von Frauen und Männern meist unterschiedlich bewertet.
So effektiv, wie die Verbreitung von Pornographie im Internet möglich ist, so ineffektiv sind Zensurmaßnahmen. In diesem Punkt muß ich leider Sandbothe und Hablützel recht geben. Nur: Der öffentliche Aufschrei angeblich nicht betroffener Männer gibt zu denken, zumal wenn sie von sich weisen, im Internet je auf Pornographie gestoßen zu sein.
Effektiver als Zensur wäre ohne Zweifel eine Bildung und Öffentlichkeitsarbeit, die darauf zielt, die Dinge beim Namen zu nennen, also Pornographie als Gewalt kenntlich zu machen und auch so zu bezeichnen. Das erwarte ich von der taz. Ich erwarte von der taz, daß sie dazu Frauen zu Wort kommen läßt. Weiter erwarte ich von PolitikerInnen, daß alles gefördert wird, was dazu beitragen kann, die geschlechtsspezifischen Hierarchien und Klischees aufzubrechen. Pornographie wäre kein oder jedenfalls ein geringeres Problem, wenn nicht schon Mädchen und Jungen ganz genau lernen würden, welcher Platz ihnen und den jeweils anderen in der Hierarchie der Geschlechter zukommt. Und ich erwarte, daß die taz nicht dazu beiträgt, die Inter-Networks von Männern zu stärken und schönzufärben. Auch das wäre eine ganz schön effektive Maßnahme gegen die vernetzten Pornographen. Ulrike Gramann, Berlin
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