: Grüne Steuern wirken Wunder
■ Schweden will wegen einschlägiger Erfolge seine Steuer auf Kohlendioxid verdoppeln – wenn sich Brüssel nicht querlegt
Stockholm (taz) – Schweden will ab 1. Juli 1996 seine CO2- Steuer auf 16 Öre pro Kilogramm CO2 verdoppeln. Nicht daß die sozialdemokratische Regierung plötzlich grün geworden wäre: Industrieminister Sten Heckscher ist streng dagegen, aus Angst, den Aufschwung damit zu stoppen. Umweltministerin Anna Lindh konnte sich nur durchsetzen, weil die Regierung für ihr neues Budget auf die Stimmen der erstarkten Umweltpartei und des grünen Zentrums angewiesen ist, und die machten die Verdoppelung der Umweltsteuer zur Bedingung.
Anfang der neunziger Jahre hatte die sozialdemokratische Regierung die erste Kohlendioxidsteuer eingeführt: 25 Öre (damals etwa 6 Pfennig) pro Kilogramm CO2, das aus den Schornsteinen qualmte. Das war so teuer für die Wirtschaft, daß der schwedische Beitrag zum Treibhauseffekt gleich deutlich nach unten ging. Als dann die konservativen Industriefreunde die Regierungsverantwortung übernahmen, wurde der Steuersatz für die produzierende Industrie auf acht Öre pro Kilogramm gesenkt.
Mit durchschlagendem Effekt: Gleich um 25 Prozent stieg der CO2-Ausstoß der Industrie zwischen 1993 und 1995. Im Produktionsprozeß war man ohne fühlbare Steuerschraube umgehend zu umweltschädlicheren Brennstoffen, vor allem Schweröl, übergegangen. Die von Schweden in der internationalen Klimakonvention eingegangene Verpflichtung, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2000 auf dem Niveau von 1990 zu halten, hätte sich damit in schwarzen Rauch aufgelöst. Selbst der Industrieverband gestand ein, daß die Steuersenkung die Ursache dafür sei.
Damit für die energieintensive Industrie der schwedische Fast-Alleingang – nur Dänemark hat eine ähnlich hohe CO2-Steuer – nun nicht allzu konkurrenzschädigend wird, gibt es allerdings eine entscheidende Ausnahme: Ist für ein Produkt die Energiesteuer höher als 1,2 Prozent des Verkaufswerts, gilt der alte Steuersatz. Eine Ausnahmeregelung, die die verdoppelte CO2-Steuer möglicherweise an Brüssel scheitern läßt: Dort hat man im Prinzip nichts gegen umweltfreundliches Vorpreschen, wohl aber etwas gegen Ausnahmeregelungen. EU-Kommissar Mario Monti steht dem Vernehmen nach den Plänen der schwedischen Regierung „skeptisch“ gegenüber, da diese eindeutig einer EU-Direktive über die gleichmäßige Besteuerung von Mineralöl widerspreche.
Auch wenn die schwedische Grünen-Sprecherin Marianne Samuelsson der EU eine Einmischung nicht erlauben wollte – die endgültige Entscheidung, ob Stockholm versuchen darf, mit der Steuerschraube das CO2-Ziel zu erreichen, fällt im nächsten Jahr dennoch die Brüsseler Bürokratie: Sie entscheidet über Direktiven, die von dem Traum einer formalen Steuervereinheitlichung geprägt sind und sich nicht um Umwelt oder ähnliche Nebensächlichkeiten kümmern. Reinhard Wolff
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