: Jeder zehnte ohne Job
■ Fast 3,8 Millionen Arbeitslose im Dezember gezählt – und die Aussichten für dieses Jahr sind noch schlechter
Nürnberg (taz) – Die Vier-Millionen-Marke rückt immer näher. Ende Dezember waren in Deutschland 3,79 Millionen Menschen ohne Arbeit. Das waren 230.900 mehr als im Vorjahr und 211.800 mehr als Ende November. Die Arbeitslosenquote kletterte von 9,3 auf 9,9 Prozent. Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA), machte dafür die „stockende Konjunktur im Westen“, die „schwierigen Ausgangsbedingungen im Osten“ und den „zu kalten Dezember“ verantwortlich. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen hätten zudem den Arbeitsmarkt im Dezember nurmehr um knapp 1,5 Millionen entlastet. Das sind 330.000 Arbeitslose weniger als im Vorjahr.
Jagoda nannte die Perspektiven für 1996 „alles in allem nicht günstig“. Im BA-eigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung rechnet man für 1996 mit stagnierenden Arbeitslosenzahlen, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Konjunktur im Laufe des Jahres anzieht und die Wirtschaft sich derzeit „nur in einer Wachstumsdelle“ befindet. Andernfalls müsse mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahlen gerechnet werden.
Für BA-Chef Jagoda ist jetzt die Zeit zum „Gegensteuern“ gekommen. Die Tendenz zur schlanken Produktion und zu Investitionen in Billiglohnländern müsse ein Ende haben. „Wir müssen den Glauben an den Standort Deutschland wiedergewinnen“, auch mit hohen Lohnnebenkosten habe sich Deutschland mit an die Spitze der Weltwirtschaft gesetzt. Jagoda plädierte für einen „Um- und nicht Abbau des Sozialstaates“ und bewertete das „Bündnis für Arbeit“ als „positive Tendenz in Richtung eines tragfähigen Konsenses der Gesellschaft“. Eine „Aufbruchstimmung zu neuen Ufern“ sei nötig.
Auch SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering forderte einen „Ruck, der durchs Land gehen“ müsse. Statt dessen werde jedoch „Deutschland unter seinen Möglichkeiten regiert“. Diese „Koalition des Stillstands“ habe „keine Kraft mehr, wichtige Zukunftsthemen aufzunehmen und in konkretes Handeln umzusetzen“.
Während man im DGB-Vorstand die Arbeitslosenzahlen „alarmierend“ nannte, legte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle noch einen Zahn zu. Er sprach von einem „dramatischen Alarmsignal“ und forderte die Senkung des Solidarzuschlages. Bernd Siegler
Siehe auch Seite 4, Kommentar Seite 10
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