: Wenn's selbst in Juchitán zu bunt wird
■ Gegenwehr gegen zuviel Matriarchatsrummel
Juchitán ist schon lange ein beliebtes Objekt von allerlei Be- und Neugierden. Schon Eisenstein war einst begeistert: „Etwas vom Garten Edens entsteht vor den geschlossenen Augen von jedem, der einmal die endlosen mexikanischen Weiten gesehen hat. Und hartnäckig verfolgt dich die Idee, daß der Eden nicht irgendwo zwischen dem Tigris und dem Euphrat gelegen hat, sondern natürlich hier, irgendwo zwischen dem Golf von Mexiko und Tehuantepec.“
Auch mexikanische KünstlerInnen wie Frida Kahlo, deren charakteristischer Tehuana-Look den zapotecas nachempfunden ist, Diego Rivera oder Rufino Tamayo haben sich hier ausgiebig inspirieren lassen. Bis heute aber scheint die Ortschaft nicht auf die sogenannte Normaltouristin angewiesen zu sein, weder edle Bettenburgen noch handliche Souvenirfolklore oder gar gutgekühlte Nightclubs lassen sich hier finden.
Dennoch ist die Stadt seit Anfang der 80er Jahre bei in- und ausländischen Forschungsreisenden schwer in Mode: als Beispiel ethno-kulturellen Stolzes, als Politexperiment und nicht zuletzt als matriarchale Hochburg.
Die JuchitekInnen aber sind skeptisch geworden – und wissen sich zu wehren. Als wir mitten auf dem Marktplatz dem vorbeischlendernden Bürgermeister vorgestellt werden, schaut dieser uns zunächst eher prüfend an. Ob man etwa wieder aus Frankreich komme? Sie hätten da mal etwas „sehr Unerfreuliches“ erlebt.
Letztes Jahr war nämlich eine französische Reporterin auf den Spuren des Matriarchats unterwegs gewesen und hatte in Elle eine fetzige Reportage über das Frauenparadies in Südmexiko veröffentlicht. Besonders paradiesisch erschien der Kollegin offenbar die sexuelle Freizügigkeit: Der von ihr porträtierte Fall einer älteren Frau, die sich einen sechzehnjährigen Liebhaber hielt und für seine Dienste bezahlte, suggerierte das Bild einer nymphoman-promisken Weiberwirtschaft – zumindest in den Augen der empörten juchitecas.
Diese verklagten daraufhin die Zeitschrift und zogen ihre Anzeige erst zurück, als ihnen ein ungewöhnlicher Vergleich angeboten wurde: die französische Damenpostille mußte eine erneute Juchitán- Reportage in Auftrag geben – diesmal unter der gestrengen Aufsicht des örtlichen Frauenkomitees. Anne Huffschmid
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