■ Mit der Wirtschaftspolitik auf du und du: Mach Jobs aus Geld
Berlin (taz) – Die konjunkturelle Lage ist miserabel und wird noch viel schlechter, sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Was kann ein Unternehmen tun, wenn der Konjunktureinbruch seine Ertragsfähigkeit bedroht? Ganz klar: Es muß rationalisieren. Mitarbeiter werden entlassen, Kosten gespart.
So weit, so logisch. Nun werden aber in einer Rezession alle Unternehmer dieselbe Idee haben. Und dann geht die Rechnung nicht mehr auf. Die Einsparungen führen zu geringerer Nachfrage, und der vermeintliche Gewinn für den einzelnen wird zum Verlust für alle. Dennoch haben Unternehmen in Krisenzeiten gar keine andere Möglichkeit als zu rationalisieren. In den 60er und 70er Jahren glich der Staat die sinkende Binnennachfrage durch höhere Ausgaben aus. Aber diese Strategie ist aus der Mode gekommen – was wegen riesiger Haushaltsdefizite nicht verwundert.
Nun kann die Wirtschaft noch darauf hoffen, daß die privaten Haushalte in die Bresche springen und, statt zu sparen, mehr Geld ausgeben. Das aber kann nicht lange gutgehen. Wenn weniger Geld in die Bank getragen wird, dann sinkt das Kapitalangebot, und über kurz oder lang müssen die Zinsen steigen.
Bleibt das Ausland. Die deutschen Unternehmen werden, wenn ihre Rationalisierung erfolgreich verläuft, Wettbewerbsvorteile auf ausländischen Märkten haben. Nur dauert es nicht lange, bis die anderen aufholen. Ein kurzfristiger Vorsprung reicht für die Lösung struktureller Arbeitsmarktprobleme wohl kaum aus, ein längerfristiger schadet sogar. Denn zum einen entstehen dann den unterlegenen Handelspartnern Defizite. Um sie zu decken, müssen sie Kapital von den internationalen Finanzmärkten abziehen, was die Zinsen in die Höhe und die Investitionen in den Keller treibt.
Zum anderen führt die größere Attraktivität der deutschen Wirtschaft unmittelbar zu einer Aufwertung der D-Mark, wie in den vergangenen Jahren tatsächlich geschehen. Damit ist der Vorsprung perdu, und der Standort Deutschland hat ein Problem. Das DIW rügt daher explizit die deutsche Wirtschaftspolitik, die sich allzu einseitig auf Standortpolitik beschränkt.
Den Ausweg sieht das DIW in erster Linie in der Geldpolitik. Nur sie könne die Schaffung neuer Arbeitsplätze unterstützen: Sie kann zusätzliches Geld zur Verfügung stellen. Der Vorwurf, damit werde die Inflation angeheizt, liegt nahe. Doch die DIW-Experten sehen darin nur dann ein Problem, wenn schon zu Beginn eines Aufschwungs zu hohe Lohnabschlüsse getroffen werden. Denn dann sähen sich die Unternehmen gezwungen, rasch die Preise zu erhöhen. Damit wird das zusätzliche Geld absorbiert, das eigentlich für Investitionen zur Verfügung stehen sollte.
Die Gefahr, daß genau das eintreten könnte, erkennt das DIW durchaus, wendet aber ein: „Daraus zu folgern, weil es so kommen könnte, dürfe die Geldpolitik von vornherein nicht expansiv ausgerichtet werden, heißt nichts anderes, als aus Angst vor dem Tode Selbstmord zu begehen.“ Nicola Liebert
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