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Symbol für Krieg oder Sinnenfreuden

■ Der Monteverdi-Chor veranstaltete ein Dresden-Gedenk-Konzert im Michel

Die mittlerweile etwas überflüssig gewordene Partnerschaft der beiden Elbstädte war wohl der Anlaß, im Michel ein Gedenkkonzert an die Zerstörung Dresdens anzusetzen. Gut gemeint sicherlich, doch unterstützte man damit die Absichten jener, die versuchen, Dresden zu einem Symbol für die Zerstörung der deutschen Städte zu machen. Kaum eine andere Stadt verkörpert reiner die Wehrlosigkeit des Opfers – Dresden steht nicht für Militarismus und Großindustrie, sondern für barocke Sinnenfreude und kapriziöse Porzellanfigürchen, höfische Prachtentfaltung und jahrhundertalte Kulturtradition.

Dem trug der Monteverdi-Chor Rechnung, indem er zwei Werke aus Dresdens musikalischer Vergangenheit einstudierte: Ein „Miserere“ des spätbarocken Opernmeisters Johann Adolf Hasse und einen schlichten Chorsatz des Kreuzkantors Rudolf Mauersberger, geschrieben 1945 im Angesicht der Ruinen. Diese kurze a-capella-Motette war es auch, die den günstigsten Eindruck hinterließ. Der Chor vermochte, bei guter Textverständlichkeit, die problematische Michel-Akustik für effektvolle Dynamik zu nutzen.

Für das prunkvolle Trauer-Opus, das Hasse 1735 am königlich-kurfürstlichen Hof zur Aufführung brachte, erwies sich der Kirchenraum als zu groß dimensioniert, die Dramatik der barocken Affektsprache wurde durch den Raumhall weitgehend nivelliert. Das Solistenquartett wurde seinem virtuosen Part akzeptabel gerecht, hervorzuheben die Altistin Annette Markert mit nicht besonders großer, doch gut geführter Stimme kontra-tenoraler Einfärbung. Als Zugstück des Abends stand abschließend das Mozart-Requiem auf dem Programm, vom dominanten Chor stimmkräftig dargeboten. Leider versäumte es der Dirigent Gothart Stier, in den langsamen Teilen Binnenspannung aufzubauen, doch wurde dies durch engagierten Einsatz in den schnelleren Passagen wie dem Dies Irae und dem Confutatis wettgemacht.

Jörg Königsdorf

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