Blues mit Kunstrose

■ Aggressiv, gefühlvoll oder lauwarm: Der Auftakt des „Women in (e)motion“-Festivals zeigte drei verschiedene Temperamente auf die Bühne

Schon in den früheren Jahren ermöglichte das „women in (e)motion“-Festival überraschende Entdeckungen, so auch dieses Jahr. Drei ganz unterschiedliche Sängerinnen präsentierten die ersten Abende.

Eher enttäuschend fiel dabei der Auftakt mit der New Yorkerin Maria Muldaur im „Moments“ aus. Die seit 30 Jahren in unterschiedlichsten musikalischen Zusammenhängen aktive Sängerin hatte ein Blues-Programm zusammengestellt, dessen Schwerpunkt auf Bluesstilen der 20er und 30er Jahre lag. Die Songs von Bessie Smith oder Sippie Wallace sind eigentlich wie geschaffen für die modulationsreiche und ausdrucksstarke Stimme Muldaurs. Bieten sie mit ihren Liebes-Lamentos und Texten voller sexueller Anspielungen doch eine ideale Folie für den eindringlichen Gesang mit Blueskieksern, Falsettstimme und dem lasziven erotischen Timbre. Allein, der Funke wollte trotz des durchscheinenden Leopardenkleids und roter Kunstrose im langen schwarzen Haar nicht so recht überspringen.

Die Abstimmung mit dem Pianisten Dave Mathews haperte irgendwie, häufig fehlte der richtige Drive, eine treibende Basis für die emotionale Intensität von Muldaurs Gesang. So gehörte ihr „Women's Lament“-Solo denn auch zu den Höhepunkten ihres Auftritts.

Eine wirkliche Entdeckung ist allerdings die kanadische Sängerin und Pianistin Veda Hille. Gemeinsam mit der ebenfalls aus Kanada kommenden Anhai war sie am Freitagabend solo und am Samstag mit Band zu hören. Die Singer/ Songwriterin mit Vorliebe für kurze Kleider und skurille Frisuren balanciert auf wunderbare Weise am Rande des Pop entlang. Mit zarter, fast zerbrechlicher Stimme, manchmal ins Kratzbürstige gewendet, singt sie ihre poetischen Reflexionen über das Leben. Die leicht gebrochene melancholische Stimmung konterkariert sie durch wuchtige, eckige Piano-Akkorde mit Jazzanklängen. Ihr Solo-Auftritt, bei dem sie für einige Stücke zur viersaitigen Gitarre griff, entwickelte einen wunderschönen intensiven Charme, in dem man richtig schwelgen konnte. Mit Band kommen ihre Songs etwas harscher daher, wird die Stimmung einen Tick aggressiver. Das ändert aber nichts an der gebrochenen melancholischen Grundstimmung, erhöht die Reibung zum Gesang noch ein bißchen. Stephen Nikleva ließ seine E-Gitarre anschwellende Ackordfolgen jaulen, fuhr harsch über die Saiten oder plinkerte an der Mandoline. Dazu gab's singende Bass-Linien von Martin Walton und mal relaxt swingende, mal scharf akzentuierte Rhythmen von Drummer Paul Brennan. Der offensichtliche Spaß, den die vier MusikerInnen auf der Bühne hatten, übertrug sich mühelos auf das Publikum, das entsprechend begeistert reagierte. Zwei wunderschöne Auftritte, die Lust auf mehr von Veda Hille machen.

Die Stimmung, die Veda Hilles Landsfrau Anhai transportiert, ist demgegenüber entschieden strenger. Der Solo-Auftritt der Gitarristin und Sängerin teilte das Publikum denn auch schnell. Eine Reihe von BesucherInnen verließ das „Moments“ nach wenigen Stücken. Anhai hat eine ganz eigene Gitarren-Technik entwickelt, die die Bass-Saite vibrierend röhren läßt, während die restlichen Saiten leicht abgedämpft klingen. So entsteht eine dräuende Stimmung, wie dunkle Wolken, die sich zusammenziehen. Ebenso extrem ist ihr Gesang mit kehligen Lauten, spitzen Schreien und gepreßter Kopfstimme. Oft sind nur einzelne Worte zu verstehen. Dabei agiert Anhai auf der Bühne geradezu verschlossen, in sich selbst versunken. Ihr Solo-Set geriet etwas anstrengend lang.

Am nächsten Abend, eingebettet in den Sound ihrer beiden Begleiter George Koller am Bass (sowie afrikanischer Trompete) und Don Kerr an Schlagzeug und Cello, entwickelten Anhais Gesang und Gitarrenspiel deutlich mehr Zugänglichkeit. Fundiert und mit scharfkantigen Rhythmen und umspielt mit weichen Bassfiguren wirkte der Gesang Anhais weicher, war die Stimmung weniger düster. Die Musik blieb trotzdem spannend. Farina

Heute bei „Women in (E)Motion“: Die Gruppe „Women of the Calabash“, um 20 Uhr im „Moments“, morgen zur gleichen Uhrzeit im „Kito“