: Studieren nach den Anforderungen der Wirtschaft
■ An der Universidad Pontificia in Madrid werden Führungskräfte herangezüchtet
Prof. Dr. Luis Puchol lehnt sich zufrieden zurück. Der untersetzte Betriebswirtschaftler läßt seinen Blick über eine Wand voller Fotos schweifen. Sein gepflegter Ziegenbart bebt dabei freudig. Die unzähligen zum Klassenfoto aufgereihten Jugendlichen haben alle seinen Hörsaal besucht. Internationale Betriebswirtschaft heißt der Vorzeigestudiengang der Universidad Pontificia in Madrid. Vier Jahre Ausbildung, zwei davon zu Hause und zwei im Ausland, lautet der Plan, der auf einem Austausch zwischen der französischen École Supérieure de Commerce (ESC) in Reims, der Middelsex Business School in London, der Fachhochschule Reutlingen und dem Katholischen Institut für Betriebswirtschaft (ICADE) der Universidad Pontificia basiert.
Die Mischung ist hochkarätig, der Andrang ist entsprechend. Auf einen Platz kommen fünf Bewerber. „Wir sieben hart aus“, erläutert Professor Puchol. Guter Abi- Schnitt, eine harte Aufnahmeprüfung und ein Gespräch mit einem Vertreter der jeweiligen Uni und der freien Wirtschaft sind die Hürden, die es in allen vier Ländern gleichermaßen zu nehmen gilt. Die Sprache des jeweiligen Gastlandes und Englischkenntnisse werden als selbstverständlich vorausgesetzt.
Antonio hat es geschafft. Nach zwei Jahren in Reutlingen mit Praktika bei der Augsburger Hardware-Firma NCR und Siemens in München ist der 21 Jahre junge Spanier zurück in Madrid. Noch ein halbes Jahr bis zum heißbegehrten Abschluß und dem damit verbunden sicheren Arbeitsplatz. „Wir studieren hier nach Anforderungen der Wirtschaft und nicht nach Plänen des Ministeriums“, so Antonio nicht ohne Stolz. „Hier sind alle viel motivierter als an den staatlichen Hochschulen“, weiß er das elitäre Klima zu schätzen. Kleine Klassen, pünktliche, gut vorbereitete Dozenten, und wer zweimal im gleichen Fach durchfällt, ist draußen. Das gefällt dem sprachgewandten Jugendlichen. Kostenlose Bildung für alle wie in Deutschland findet zwar auch Antonio gut, aber „ICADE, das heißt Image und Prestige“ – und dafür sei kein Preis zu hoch.
Papa zahlt: 900 Mark im Monat kostet den Beamten des Madrider Landwirtschaftsministeriums die Zukunft seines Sprößlings – soviel wie an den öffentlichen Hochschulen ein ganzes Jahr. Hinzu kommen während der zwei Jahre im Ausland Reise, Unterbringung und Verpflegung.
Antonio hat sein Ziel klar vor Augen: eine Führungsposition in einer großen Firma. Das richtige Parteibuch dafür hat er schon, er ist Mitglied der konservativen Partido Popular. Politik findet an der Universidad Pontificia, die den Jesuiten gehört, nur in dafür vorgesehenen Kanälen statt. Einmal in der Woche gibt es eine Veranstaltung mit Politikern. Informiertheit gehört mit zum Lebenslauf eines zukünftigen internationalen Wirtschaftsführers. Aber selbst initiativ werden, das ist verpönt. Nein, Vorschriften würden ihm keine gemacht – „wenn du nicht gerade mit grünen Haaren zu einem Vorstellungsgespräch gehst“, so Antonio.
Andreas, ein deutscher Gastkommilitone, widerspricht. Der 20jährige hat zwar keine grünen Haare, dafür aber einen Fleck in seiner Biographie: Er hat Zivildienst geleistet. „Mir wurde hier gleich zu Anfang empfohlen, dies aus meinem Lebenslauf zu streichen. Antonio wundert das nicht. Er weiß, was er seiner Uni schuldig ist. „Ich gehe zum Militär. Verweigern kommt für mich nicht in Frage.“ Reiner Wandler, Madrid
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