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Diverse Sound-Schweinereien

■ Neu auf dem Player: „Camp Imperial“, die CD mit 60er Low-Fi Sound

„Vor ein paar Jahren sagten die meisten, daß man die Klappe gefälligst poppig berechtigt aufreißt, auch wenn nichts dahinter steckt.“ Wie bitte? Auf der nach oben offenen Verquastheits-Skala der CD-Inlets nehmen die Begleitzeilen zum Sampler „Camp Imperial“ eine Spitzenposition ein. Da steckt viel drin in dieser Platte, erfährt man, u.a. „Gerechtigkeitsgefühl“. Allerhand, daß sich so was auf CD pressen läßt. Wer es trotzdem nicht raushört, wird durch diverse kleine Sound-Schweinereien entschädigt, die des öfteren die 60er Jahre anklingen lassen – jenes laut CD-Info „am wenigsten sentimentale Jahrzehnt“. Beim Hören setze man sich zwischen die beiden Lautsprecher, es gilt, den Stereo-Effekt in voller Schönheit zu genießen. Zum Beispiel bei „Gedengel“ des Duos „Sand“, eines von 20 Stücken auf „Camp Imperial“. Aus dem Rhythmuscomputer perlt Monotones, aus dem linken Kanal tropft eine simple Melodielinie aus dem Selbstbau-Synthie, aus dem rechten kommt der Refrain. Low-Fi ist da und das, wonach wir an 64,27 Spuren bei der Abmischung gewöhnten CD-HörerInnen dürsten! Die Spontaneität, sie lebt wieder auf und hoch! Auch beim „Klausner Klang Kommando“, verkörpert durch Kai Klausner. „Frühstückt“ nennt sich das, was Klausner uns, mit Minimalklängen garniert, vorspricht. Klausner hat seine morgendlichen Rituale in stolpernde und verstolperte Verse gepackt, die uns nichts vorenthalten, schon gar nicht, daß Klausner die hohen schmalen Milchtüten den kleinen dicken vorzieht, letztere verbreiten ja bekanntlich ein negatives Lebensgefühl.

Was „Camp Imperial“ überhaupt nicht tut: „Ja König Ja“ sind beim Sampler dabei, Andreas Dorau (siehe Neue deutsche Welle) und Bands mit so klangvollen Namen wie „Atlantik Knarf Rellöm“ (von rechts nach links zu lesen) oder „Teer gleene Muck“. Obwohl der Hamburger Szene verbunden, läßt „Camp Imperial“, gemastert im Studio Nord Bremen, keine „Impulse aus London, New York und Oldenburg vor der Küchentür“ stehen. Dafür sollte man dankbar sein.

Und für die Vielfalt. Hardrock-Verschnitt, Techno, ganz leicht angeschrägtes launiges Schlagermaterial (wieder die 60er Jahre!), HipHop- und Garagensounds – was das postmoderne Ohr begehrt. Sämtlich hergestellt im Hamburger Studio Imperial, einem Anfang '95 geschaffenen Tummelplatz, wo alle „Beteiligten ihre Musik ohne Zeitdruck inszenieren konnten“. Was offenbar ungemein hilft, um eine hörenswerte CD zu produzieren. Und sogar noch „Gerechtigkeitsgefühle“ beizusteuern. Mu

„Camp Imperial“ (Compilation), Rough Trade, ab 29.1. im Handel oder bei L'Ûge d'or, Spezialversand, Max-Brauer-Allee 163, 22765 Hamburg

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