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SanssouciVorschlag

■ Reisebilder vom Süden: Charlotte E. Pauly im Brecht-Haus

„... daß Sie meine Fernsucht nicht verstehen, liegt daran, daß Sie sich in meine Lage nicht recht versetzen können [...]. Ferner ist mir die ganze Rechnerei und das Steuerwesen und die Kleinlichkeit der öffentlichen Stellen in Deutschland zuwider ...“ Der Brief, aus dem dieses Zitat stammt, ist keineswegs erst ein paar Tage alt. Charlotte E. Pauly, Kunsthistorikerin und Künstlerin, hatte ihn bereits im Sommer 1929 aus dem spanischen Marokko an eine Freundin geschrieben.

1886 kam sie in dem schlesischen Dorf Stampen zur Welt, doch lange hat sie es im deutschländlichen Mief nicht ausgehalten. Nach ersten Wanderungen ab 1915 und dem Besuch verschiedener Zeichenschulen brach sie zu ihrer ersten Spanien- und Marokkoreise auf. Das Reisen hat Pauly seitdem nicht mehr gelassen, auch nicht, als sie sich mit festem Wohnsitz 1946 in Berlin-Friedrichshagen niederließ. Fortan durchquerte sie die südlicheren Länder des offenen Ostblocks und stellte regelmäßig in der DDR als Druckgrafikerin aus.

Ihr umfangreiches malerisches Werk aus der Zeit ihrer Mittelmeerreisen dagegen ist erst jetzt, 15 Jahre nach dem Tod der Künstlerin, erstmals zu sehen. Eine nackte braune Schäferin erinnert noch ganz an Gaugins Tahiti-Schönheiten, doch im Zusammenleben mit Zigeunern, die im andalusischen Guadix in Höhlen lebten, entwickelte Pauly eine eigene Bildersprache. Aus den Landschaften und Gesichtern der „Urerzeuger bzw. Pflanzenmenschen“, wie sie die Höhlenbewohner nannte, filterte sie in einer trockenen, pastosen Malerei das Charakteristische. So sehr, daß sich die Dargestellten mitunter nicht wiedererkannten. Der alten Zigeunerin im kardinalroten Kopftuch wäre es auch kaum ein Trost gewesen, daß ihr Porträt in diesem Jahrhundert eine konsequente Antwort auf ein Bildnis eines Medicifürsten der Renaissance gewesen ist. Die Antwort darauf, warum Pauly nach dem Krieg kaum noch gemalt hat, könnte ein kleines, grau in grau gemaltes Bild geben, das Feldarbeiter in ihrem Heimatdorf zeigt. Deutschland muß einfach die Farbe gefehlt haben. Petra Welzel

Die Ausstellung ist noch bis zum 28.1. zu sehen im Brecht-Haus Weißensee, Berliner Allee 185, 13088 Berlin, Di-So 14-18 Uhr.

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