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Zum Wohle des Gemeinwesens Von Andrea Böhm

Ehrenamtliches Engagement – auch volunteering genannt – ist eine amerikanische Tradition. Ohne ehrenamtliche Mitarbeiter müßten die Lobbygruppen der christlichen Rechten ebenso dichtmachen wie die der Schwulen und Lesben. Es gäbe ohne sie weder Suppenküchen für Obdachlose noch patriotische Straßenparaden am 4. Juli und weitaus weniger Dienstleistung: Volunteers säubern Highways von Müll, registrieren Patienten in Krankenhäusern, geben Auskunft auf Polizeirevieren oder Flughäfen – alles unentgeltlich und zum tatsächlichen oder vermeintlichen Wohle des Gemeinwesens.

Nach Ansicht von 75 Prozent der Amerikaner ist auch die Todesstrafe eine Einrichtung zum Wohle der Gesellschaft. Zwar untersteht die Exekution der Verurteilten schon seit geraumer Zeit dem Staat. Doch das hinderte engagierte Bürger im Bundesstaat Utah nicht daran, der Gefängnisverwaltung ihre ehrenamtlichen Dienste als Mitglieder eines Erschießungskommandos anzubieten. Datum: 26. Januar. Delinquent: Der 36jährige John Albert Taylor, 1989 wegen Sexualmordes an einem elfjährigen Mädchen zum Tode verurteilt. Als die Telefonanrufe der Volunteers die Leitungen der Gefängnisverwaltung zu blockieren drohten, ließ Pressesprecher Jack Ford öffentlich verkünden: „Wir nehmen keine Freiwilligen.“ Nein, schießen darf nur eine Abordnung von Polizeioffizieren – und das nur in Utah, dem Staat der Mormonen, deren Gründer einst nicht nur die Polygamie legitmierten, sondern auch die Überzeugung vertraten, ein Mord sei nur durch das vergossene Blut des Mörders zu sühnen.

Utahs Politiker wittern nun Imageprobleme. Schließlich präsentiert sich ihr Bundesstaat an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend gern als Boomregion für die Computerindustrie und den Skitourismus. Hier finden im Jahre 2002 die olympischen Winterspiele statt. Hier bauen Filmstars und Konzernbosse ihre Feriendomizile. Hier organisiert Robert Redford jährlich ein renommiertes Filmfestival in „Sundance“, seinem ökologisch korrekten, indianisch angehauchten Wintersportressort. Hier leben, bitte schön, moderne und kultivierte Leute. Staatliche Erschießungskommandos sind Utahs Parlamentariern deswegen zunehmend peinlich, weshalb sie noch diese Woche einen Antrag zu ihrer Abschaffung annehmen werden. Von da an wird in Utah kein Blut mehr vergossen. Die Aufgabe des Henkers übernimmt ein medizinisch ausgebildeter Justizangestellter, der dem Delinquenten ein Herzlähmungsmittel injiziiert.

Noch eine andere Gruppe verliert ihren Job: Der US-Kongreß hat sämtliche Mittel für ein Netzwerk von „Death Penalty Centers“ gestrichen – Bundesbüros, die zum Tode Verurteilten qualifizierten Rechtsbeistand für das Berufungsverfahren zur Verfügung stellen. Begründung: Anwälte mißbrauchten das Rechtssystem, um die zügige Vollstreckung von Todesurteilen hinauszuzögern. Der Präsident des Landes teilt diese Einschätzung.

In Texas, wo alles, auch der Todestrakt, größer ist als anderswo, ist von 18 Anwälten im staatlichen „Death Penalty Center“ noch einer übriggeblieben. An der Tür hängt ein Schild: „Ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht.“

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