Weg mit der Nische

■ Letzte Woche wollte das ZDF sich noch "den Luxus leisten", jetzt stellt es den hochkarätigen "Sportspiegel" ein. Die Reportagen bekommen andere Sendeplätze

Als das ZDF Anfang der sechziger Jahre kurz nach seiner Gründung sein „Aktuelles Sportstudio“ aus der Taufe hob, war damit nichts anderes bezweckt, als der ARD Kunden abzujagen. Schon damals war man sich beim ZDF bewußt, daß Sport im Grunde nicht journalistisch zu begreifen ist – die telegene Übermittlung von Leibesübungen war nie etwas anderes als ein Unterhaltungsprogramm mit sportivem Flair.

Der Anspruch auf Hintergründiges war freilich noch vorhanden – zumal das Gesetz das ZDF darauf verpflichtete, den Schwerpunkt der Arbeit auf Informationsvermittlung zu legen. Also wurde dem „Aktuellen Sportstudio“ eine Sendung zugeordnet, die das journalistische Manko ausgleichen sollte. Unter der Leitung des legendären Sportjournalisten Alfons Spiegel erwarb sich das Magazin so in der Tat seit 1963 Reputation und trug gleichzeitig dazu bei, den Sport vom Ruch des Ordinären zu entlasten.

1989 wurde der „Sport-Spiegel“ ohne Angabe von Gründen eingestellt – um ihn 1993 wieder ins Programm zu heben. Bei seiner Renaissance ging es darum, auch intellektuell gesinnte ZuschauerInnen an den Sender zu binden. Es war zudem die einzige Sendung der Öffentlich-Rechtlichen, die den Sport nicht nur aus der Perspektive von Fans („Was für ein schönes Tor“, „Tolle Leistung auf der Tartanbahn“) zeigen sollte, sondern auch wollte: ein journalistisch starkes Feigenblatt, mit dem das ZDF rechtfertigen konnte, beim Einkauf von Fußballübertragungsrechten mitzubieten, obwohl deren Preise in schwindelerregende Höhen kletterten, die eigentlich aus Rundfunkgebühren nicht mehr gezahlt werden dürften.

Noch in der vergangenen Woche hatte der neue ZDF-Sportchef Wolf-Dieter Poschmann bei der Präsentation des ZDF-Sportjahres 1996 den „Sport-Spiegel“ als einen Luxus in der Wettbewerbssituation mit den privaten Medien beschrieben, „den wir uns dankenswerterweise leisten können und wollen“.

Schöne Worte. Denn jetzt heißt es auf einmal: Am 28. Februar gibt es den letzten „Sport-Spiegel“, mit dem Titel „Herren, Gören und Lolitas – der Werbemarkt der schönen Sportlerinnen“. An den Quoten kann es nicht gelegen haben: 2,52 Millionen ZuschauerInnen haben die letzte Sendung „Yukon- Quest – Das Huskie-Rennen am Polarkreis“ gesehen; zudem habe es Lob von der Chefredaktion gegeben, versichert Stefan Kürten, stellvertretender Hauptredaktionsleiter Sport.

Es waren wohl dennoch nicht genug, die die Sendung, die sich, so die senderinterne Einschätzung, speziell an Leser der SZ- und FAZ- Sportteile richtet und weniger an das Bild-Volk, goutieren wollten. „Wir haben den ,Sport-Spiegel‘ wieder aufleben lassen, aber die Realitäten sind in der Medienwelt anders geworden“, erklärt Wolf- Dieter Poschmann. Und: „Wir können uns diese Nische nicht mehr leisten.“ Doch Kürten will diese Formulierung keineswegs als Kapitulation vor den Entertainmentwünschen des Publikums und dem Quotendruck durch die privaten TV-Stationen gewertet wissen: „Die Redaktion des ,Sport-Spiegel‘ arbeitet ja weiter – und die Reportagen werden jetzt zu einer günstigeren Sendezeit am Freitag und Mittwoch gesendet, und zwar im Rahmen zweier Reportagenreihen des ZDF.“

Dem Intendanten komme es darauf an, so Kürten, ein einheitliches Profil für alle hintergründigen Beiträge zu entwickeln. Daß der „Sport-Spiegel“ durchaus zu den Markenzeichen des Senders gehörte, also keines Profils mehr bedurfte, hört Kürten gern, will aber die Entscheidung zur Einstellung des Magazins akzeptieren – und desweiteren abwarten: „Wir bringen auch weiterhin Hintergrund zum Geschehen. Wir sprechen uns in einem Jahr wieder.“ Jan Feddersen