: Tauziehen um die Marcos-Millionen
Schweizer Banken zwischen den Philippinen und den USA ■ Aus Zürich Gertrud Ochsner
Zehn Jahre nach dem Sturz des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos liegen dessen Millionen immer noch auf Schweizer Konten fest. Sämtliche Bemühungen um eine Rückführung der Gelder in die Philippinen sind ohne Erfolg geblieben. Zwar waren nur wenige Tage nach seiner Flucht nach Hawaii im Februar 1986 die in der Schweiz liegenden Marcos- Gelder in Höhe von heute rund 475 Millionen US-Dollar blockiert worden, und die neue philippinische Regierung hatte gleich danach ein Rechtshilfebegehren an die Schweiz gestellt. Doch seither ist der Fall nur noch komplizierter geworden: Seit letztem Herbst kam ein völkerrechtlicher Konflikt zwischen der Schweiz und den USA hinzu. Zwischen den Konfliktparteien stecken die Schweizer Großbanken Bankverein und Kreditanstalt.
In dieser Woche ist in Hongkong ein Vermittlungsgespräch in Gang, bei dem um die Verteilung der Marcos-Gelder gefeilscht wird. Zum ersten Mal sitzen alle Parteien am runden Tisch: Die Behörden der Schweiz und der USA, der Schweizerische Bankverein (SBV) und die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) sowie all jene Parteien, die direkt Anspruch auf Marcos' Gelder haben: die philippinische Regierung, Anwälte der Menschenrechtsopfer der Marcos-Diktatur sowie verschiedene zivile GläubigerInnen. Auch die Anwälte der Familie Marcos sind anwesend, obwohl sich die Witwe des 1989 im Exil verstorbenen Diktators, Imelda Marcos, lautstark von den Verhandlungen abgemeldet hat.
Eingeladen zu dieser Konferenz haben ausgerechnet die beiden Schweizer Großbanken selbst. Und wenn sie schon laden, dann tun sie's richtig: Als Vermittler haben sie keinen geringeren aufgeboten als Chester Crocker, der sich während Reagans Amtszeit als Chefbeamter des US-Außenministeriums einen Namen als knallharter Verhandler gemacht hat. Was veranlaßt den SBV und die SKA, plötzlich in solch offensiver Weise für eine politische Lösung Initiative zu ergreifen, wo doch gerade sie in den vergangenen Jahren mittels juristischer Abwehrmanöverr zur Verzögerung des Rechtshilfeverfahrens beigetragen haben?
Die Antwort ist in den USA zu finden. Aufgrund einer Kollektivklage hat US-Bundesbezirksrichter Manuel Real in Hawaii 10.000 philippinischen Opfern von Menschenrechtsverletzungen eine Entschädigungssumme in Höhe von knapp zwei Milliarden US-Dollar zugesprochen worden.
Da eine Besonderheit des amerikanischen Rechtssystems eine Zahlungsforderung an Dritte möglich macht, wurden in der Folge rechtliche Schritte gegen die Niederlassungen der SKA und des SBV in Los Angeles eingeleitet. Gegen die Anweisung Reals vom 11. Dezember 1995 zur Überweisung der entsprechenden Gelder in die USA haben die beiden Schweizer Banken Revision eingelegt. Sollte diese abgewiesen werden, risikieren die beiden Banken, das Geld zugleich auszahlen und behalten zu müssen. Denn das Schweizer Bundesgericht hatte entschieden, daß die Marcos-Millionen blockiert gehalten bleiben, bis ein philippinisches Gericht die Ansprüche auf die Gelder rechtskräftig geregelt hat.
Da das Zahlungsbegehren der US-Justizbehörden dem schweizerischen Recht widerspricht, hat sich der Fall zu einem völkerrechtlichen Konflikt zwischen der Schweiz und den USA ausgeweitet. Das Eidgenössische Département für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat bereits in den USA diplomatisch interveniert. Immerhin haben die Entwicklungen in den USA neue Dynnamik ins Rechtshilfeverfahren zwischen der Schweiz und den Philippinen gebracht. Auf Antrag der philippinischen Regierung hat der Zürcher Bezirksanwalt, Peter Cosanday, am 20. August 1995 einen Transfer der Marcos-Gelder auf ein Sperrkonto in den Philippinen verfügt. Auch gegen diesen Beschluß haben der SBV und die SKA sowie die Familie Marcos Revision eingelegt.
Doch nun tauchen Probleme auf philippinischer Seite auf. Während der letzten Jahre hat sich die dortige Regierung nur sehr beschränkt darum bemüht, die von den Schweizer Behörden geforderten juristischen Verfahren voranzutreiben. Weil es außerordentlich aufwendig sein dürfte, die illegale Herkunft der Marcos-Gelder im einzelnen nachzuweisen, versuchte die Regierung lieber, durch einen außergerichtlichen Vergleich mit Imelda Marcos schneller an das Geld zu kommen. Der letzte Deal vom vergangenen Sommer hätte eine 75 : 25-Regelung zugunsten der Philippinen bei einer gleichzeitigen Einstellung aller gegen Imelda Marcos laufenden Gerichtsverfahren vorgesehen. Doch Imelda Marcos trat immer wieder von den Abmachungen zurück, und die philippinische Regierung geriet des großzügigen Angebots wegen unter großen innenpolitischen Druck.
Nun bemüht sich die philippinische Regierung plötzlich wieder massiv um eine vorzeitige Rückführung der Marcos-Millionen auf ein philippinisches Sperrkonto – vermutlich, um das Geld nicht vollständig an die Opfer der Diktatur zu verlieren. Zwar hat die Regierung im vergangenen Sommer mit deren Vertretern über die Ansprüche verhandelt. Das Abkommen, wonach den Menschenrechtsopfern eine Entschädigung in der Höhe von 100 Millionen US-Dollar (davon 50 Millionen aus der Schweiz) zugesprochen wurde, scheiterte allerdings daran, daß Imelda Marcos diese Regelung nicht akzeptierte. Öffentlich erkennt Präsident Fidel Ramos die Forderungen der Menschenrechtsopfer noch immer als legitim an. Es ist allerdings zweifelhaft, welche Verbindlichkeit solche Versprechen haben werden, wenn die Marcos-Gelder einmal auf den Philippinen gelandet sind.
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