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AEG-Licht verlöscht

Nach 113 Jahren wird der Traditionskonzern mit Daimler „verschmolzen“. Betriebsrat protestiert  ■ Von Annette Jensen

Bei AEG glimmt kein Glühstrumpf mehr. Gestern gab der Vorstand des Elektrokonzerns bekannt, daß er dem Siechtum des Traditionsunternehmens nach 113 Jahren ein Ende setzen wird. Die Konzernzentrale in Frankfurt, in der noch etwa 700 Leute arbeiten, soll in diesem Jahr aufgelöst werden. Die Bereiche Energie- und Automatisierungstechnik gehen an das französisch-britische Gemeinschaftsunternehmen GEC Alsthom und die zur Alcatel-Alsthom-Gruppe gehörende Pariser Gesellschaft Cegelec. Der Rest – Mikroelektronik, Postautomatisierung und Dieselmotoren – landet erst einmal unter dem Dach von Daimler-Benz.

Dort ist auch die eigentliche Entscheidung getroffen worden: Seit der Stuttgarter Konzern 1985 über vier Fünftel der AEG übernommen hatte, butterte er für den unrentablen Betrieb 5 Milliarden Mark dazu. Damit sollte jetzt Schluß sein, entschied Daimler- Chef Jürgen Schrempp. In seinem Unternehmenskonzept vom Mobilitätskonzern hatte der Elektro- Gemischtwarenladen AEG sowieso keinen Platz mehr. Die Vision seines Vorgängers Edzard Reuter, durch den Aufkauf vieler Hochtechnologiefirmen einen regen konzerninternen Austausch zu erreichen, hatte den Nobelkarossenhersteller viel Geld gekostet und fast nichts eingebracht.

Der AEG-Betriebsrat fürchtet, daß die „Verschmelzung von AEG und Daimler-Benz“ insgesamt 10.000 Jobs kosten kann. Deshalb stimmten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auch gegen den Plan – doch Jürgen Schrempp, der bei AEG das Gremium leitet, saß dank seiner Doppelstimme am längeren Hebel. Das Urteil des Vize- Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Dieter Stieg, er sei einer der „gewissenlosen Manager, die zur Massenarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik beitragen“, beeindruckte ihn nicht.

Wenig Sorgen müssen sich hingegen die AEG-Aktionäre machen: Die Daimler-Presseabteilung erklärte unmittelbar nach der Entscheidung, daß die Anteilseigner demnächst stolze Besitzer von Daimler-Papieren sein werden. Der Umtauschkurs soll von einem unabhängigen Gutachter ermittelt werden. Jetzt müssen die Beschlüsse nur noch von den beiden Hauptversammlungen abgesegnet werden – angesichts der Mehrheitsverhältnisse eine reine Formalie.

Das Ende der AEG kommt nicht überraschend. Seit dreißig Jahren ist der Konzern auf Talfahrt. Viel zu spät hatten die Manager erkannt, daß die Nachfrage nach Kühlschränken und Mixern die Bilanzzahlen nicht ewig rausreißen konnte. Unter dem Dach des 1883 gegründeten Betriebs gab es Ende der sechziger Jahre ein Sammelsurium von Firmen, die wenig miteinander zu tun hatten. Die Manager kauften und verkauften hektisch und ohne Gesamtkonzept – und kündigten auf jeder Hauptversammlung aufs neue an, daß im nächsten Jahr die Wende zu schaffen sei.

Seit 1979 gab es nur noch rote Zahlen, 1982 mußte der heutige Bahn-Chef Heinz Dürr dann Vergleich anmelden: Der Konzern hatte 7 Milliarden Mark Schulden bei 14 Milliarden Mark Umsatz. Die Gläubiger schrieben schließlich 2 Milliarden in den Wind, der Bund gab Bürgschaften, und kurzfristig sah es so aus, als ob ein Neuanfang möglich wäre. 1985 konnte Dürr dann sogar Daimler als Hauptaktionär gewinnen – 1,6 Milliarden ließ sich Reuter das Geschäft damals kosten. Doch auch danach ging der Ausverkauf der AEG weiter; siebzehn Unternehmensteile wurden seither verscherbelt. Gestern war dann Schlußverkauf: Bei der Firma, die Glühbirne und PAL-Fernsehen erfunden hat, geht das Licht aus.

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