piwik no script img

„Deutsches Sprachrohr der PKK“?

■ Erstmals steht eine Zeitung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz vor Gericht

Verantwortliche im Sinne des Presserechtes haben deutsche Gerichte schon viele verurteilt, sei es wegen Verunglimpfung des Staates, Beleidigung oder Aufruf zu strafbaren Handlungen. Zu einer Verhandlung gegen eine Zeitung wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz kam es erstmals am Montag vor dem Nürnberger Landesgericht. Angeklagt war der studierte Orientalist Jan Schade, der vergangenes Jahr für eine deutschsprachige Zeitung zu Kurdistan verantwortlich gezeichnet hatte.

Biji (deutsch: es lebe) – Informationen aus Kurdistan und der BRD erscheint wöchentlich, meist in Form eines bunten, beidseitig bedruckten DIN-A4-Blattes. Bundesweit werden pro Ausgabe rund tausend Stück verteilt. Der mehrköpfigen Redaktion ist es insbesondere ein Anliegen, Originalberichte aus Kurdistan zu bringen. Notgedrungen beschäftigen sich viele Texte mit der stärksten Bürgerkriegspartei (außer den staatlichen Armeen), der PKK und ihren Unterorganisationen. Denen hat das Bundesinnenministerium jede Betätigung hierzulande verboten. In einigen Artikeln kamen PKK- Vertreter unkommentiert zu Wort.

Für Oberstaatsanwalt Walter Grandpair stellt das einen klaren Fall von Unterstützung eines verbotenen Vereins dar und daher einen Verstoß gegen Paragraph 20 des Vereinsgesetzes. Bisher wurde dieser Paragraph in erster Linie angeblichen Schwenkern von PKK- Fahnen, Plakatierern und Spendensammlern zum Verhängnis. In seinem Plädoyer redete Grandpair vor rund 40 Zuhörern von Propaganda für die PKK. Biji sei deren „deutsches Sprachrohr“. Um das zu belegen, zitierte er vor Gericht ausführlich aus zehn Ausgaben des „Druckwerkes“. Als Strafe forderte er 150 Tagessätze à 20 Mark.

Schades Anwalt Manfred Hörner sprach dagegen von Zensur. Alle inkriminierten Texte seien von der Pressefreiheit gedeckt. Schließlich druckten auch andere Medien, unter ihnen sogar Blätter wie Focus, Interviews mit PKK- Vertretern. Es gehe daher nicht um die Verurteilung etwaiger Straftaten des Angeklagten, sondern um die Verurteilung seiner Gesinnung.

Nach den Plädoyers zog sich die Staatsschutzkammer eineinhalb Stunden zur Beratung zurück. Dann verkündete die Vorsitzende Richterin Rosemarie Sorg, der Prozeß werde vertagt. Das Gericht werde beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz ein Gutachten bestellen, ob die kurdische Nachrichtenagentur Kurd-A vergangenes Jahr verboten gewesen sei. Denn das habe man in der Verhandlung nicht klären können, und Biji habe oft Texte von Kurd-A nachgedruckt. In einigen Monaten wird das Verfahren also fortgeführt. Robin Dünnebierg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen