Press-Schlag: Ein gefragter Mann
■ Basketball-Coach Svetislav Pesić denkt laut über seine Zukunft nach
Gern hätte Svetislav Pesić nach Alba Berlins 79:75-Sieg im Viertelfinale des Korac-Cups gegen AS Villeurbanne über das Spiel geredet, aber darüber wollte niemand etwas wissen. Nicht einmal die obligatorische Frage zu den Chancen für das Rückspiel wurde gestellt, was angesichts des enttäuschend knappen Resultats gegen die starken Franzosen durchaus angebracht gewesen wäre. Aber das einzige, was interessierte, war das, was Alba-Trainer Pesić selbst als „völlig unwichtig“ einstufte: seine Zukunft. Der Vertrag des Serben läuft zum Saisonende aus, und in seiner offenen Art hatte er eine Boulevardzeitung wissen lassen, daß er sich „Gedanken über seine Zukunft“ macht. Das sei nichts besonderes, findet er; nichts jedenfalls, worüber sich zu reden lohnte.
Aber dann redete er doch ziemlich ausgiebig darüber und vergaß auch nicht, sich auf sympathische Weise permanent selbst zu widersprechen. In Berlin sei alles perfekt, betonte er, er fühle sich wohl, seine Familie auch, und es gäbe überhaupt keinen Grund, wegzugehen. Andererseits sei er 47, müsse an seine Entwicklung denken, wolle andere Länder, einen anderen Basketball kennenlernen. Wann solle er denn etwas ändern, wenn nicht jetzt? Das sind viele Gründe.
Svetislav Pesić ist in Europa ein gefragter Mann, denn der temperamentvolle Trainer hat in den letzten Jahren drei veritable Wunder vollbracht. Zuerst coachte er die deutsche Nationalmannschaft ins olympische Viertelfinale von Barcelona, was man noch den goldenen Händen des Detlef Schrempf zuschreiben konnte. Dann holte sein Team als krasser Außenseiter 1993 in München, ohne Schrempf, den Europameistertitel, was unter anderem auf ein wenig Glück zurückzuführen war. Und schließlich gelang es ihm, aus dem guten, aber braven Bundesligateam von Alba Berlin eine europäische Spitzenmannschaft zu formen, die im letzten Jahr als erstes deutsches Team überhaupt einen Europacup gewann. Spätestens da zeigte sich, daß Svetislav Pesić – Glück hin oder her – ein hervorragender Basketballtrainer ist.
Das hat sich herumgesprochen. „Jeden Tag“, so Pesić, be
käme er Angebote. Einer, der ihn rückhaltlos bewundert, ist Greg Beugnot, der Trainer von AS Villeurbanne, bei dem man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß es sich um ein veritables Schlitzohr handelt. Die geballten Lobhudeleien, die er über die Berliner und ihren Coach ergoß, dienten wohl vorwiegend dem Zweck, den Gegner für das Rückspiel kommende Woche ein wenig in Sicherheit zu wiegen. „In Frankreich gibt es kein Team, das eine solche Defense spielt“, lobte er die Alba-Spieler, die seinen NBA-erfahrenen Stars Delaney Rudd und Brian Howard das Punkten schwermachten. In Manresa oder Pesaro, wo das Team aus der Nähe von Lyon gewonnen hatte, sei es viel leichter gewesen. Andererseits war auch Villeurbannes Abwehr nicht von schlechten Eltern, wovon besonders Teoman Alibegović ein Lied singen konnte, der es nur auf 13 Punkte brachte. Die knappe Marge von vier Punkten wollte Beugnot keinesfalls als gute Ausgangsposition gelten lassen, denn Alba sei ja gerade auswärts schrecklich stark, auch wenn in Villeurbanne 7.000 Leute in der Halle sein würden. Leider, gab er dem Berliner Publikum einen charmanten Seitenhieb mit, seien die Zuschauer bei ihnen zu Hause „Basketballkenner, die auch den Gegner respektieren“. Nicht nur unter die Rubrik „Erst den Kontrahenten einwickeln, dann zuschlagen“ kann man Beugnots Antwort auf die Frage einordnen, was der grundlegende Unterschied zwischen beiden Teams sei: „Der Trainer.“
Pesić ist also auch in Frankreich ein Begriff, aber die dortige Liga kommt für ihn wohl ebensowenig in Frage wie ein anderer Bundesligaklub – eine Vorstellung, für die er nur ein müdes Lächeln übrig hat. Der Mann ist wählerisch, räumt aber ein, daß es schon Klubs gibt, die ihn reizen. Diese sind vermutlich in Spanien, Italien oder Griechenland beheimatet. Fazit eines langen, gewundenen Monologs: Svetislav Pesić bleibt in Berlin, es sei denn, er bekommt ein tolles Angebot von einem seiner Traumvereine. Was wird dann aus Alba? Pesić weiß auch hier Antwort: „Kommt neuer Trainer. Geht weiter.“ Matti Lieske
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