: Siebenmal fast nichts vortragen
■ Rund um John Cage findet eine Matineenreihe im TiK statt
Beinahe sieben Vorträge wird Hannes Hellmann halten, an sieben Sonntagmittagen vom Januar bis zum April. Um genau zu sein: Hellmann wird immer denselben Vortrag halten. Worüber? Über nichts. Aber nicht über gar nichts.
Den Vortrag über nichts schrieb, oder besser komponierte John Cage um das Jahr 1950 als rhythmisch hochkomplexe Invention im Plauderton über das Zuhören, Struktur, Material, Musik, sich selbst und nichts.
Der Schauspieler Hellmann stellt ihn ins Zentrum seiner Matineenreihe im TiK, die das Thalia-Theater veranstaltet. Außer dem Klassiker der experimentellen Literatur, den Hellmann in einer Übertragung von Ernst Jandl rezitiert, wird viel zeitgenössische Musik von Satie bis Feldman zu hören sein. Am ersten Sonntag spielt Uwe Dierksen vom Ensemble modern Stücke von Luciano Berio und Vinko Globokar für Posaune solo in ungewöhnlicher Weise.
Der musikalische Zusammenhang ist locker geknüpft. Erik Saties anarchische Musik hatte wesentlichen Einfluß auf John Cages Denken und Ästhetik. Manche der anderen Komponisten wiederum beziehen sich auf Cage. Doch die Auswahl ist eher den Musikern vom Ensemble Oriol, dem Work in progress – Berlin und dem Ensemble modern zu verdanken.
Die Stücke verbindet eine offene Musizierhaltung, viele beziehen szenische Elemente in den Vortrag ein – frei nach Cages Worten: „Ich habe bemerkt, daß Musik für mich dann am lebendigsten ist, wenn mich das Zuhören zum Beispiel vom Sehen nicht ablenkt.“ So spielen auch Grafiken von Hellmann und Raumobjekte seines Freundes Michael Irmer mit.
Trotzdem spricht Hellmann nicht von Performance oder Konzept-Kunst. Die Idee entstand, als er vor Jahren auf einer Ausstellung etwas über die Bilder eines Freundes sagen sollte. Doch das führe stets zu Unsinn oder Nacherzählung. Damals machte ihn seine Schwester auf Cages Vortrag aufmerksam, den er seither für solche Gelegenheiten parat hält.
Er ist glücklich darüber, daß das Thalia-Theater Projekte seiner Ensemble-Mitglieder unterstützt. Die „Theaterkonzerte“ sollen das Hören ändern, weiten und schädliche Erwartungen – die guten wie die schlechten – möglichst aufheben. Ein bestimmtes Publikum haben die Initiatoren nicht im Sinn. Sie wenden sich ausdrücklich an „alle“.
Die Matinee soll nicht zur Insider-Veranstaltung für das Neue-Musik-Publikum geraten. „Ich stelle mir vor“, sagt Hannes Hellmann, „daß die Leute kommen, etwas Ungewohntes erleben – und sich so befruchten lassen für den Tag.“
Hilmar Schulz
„ThaliaIntervall“. 7mal Cage und Neue Musik. Sonntagsmatineen im TiK: 21.1., 4.2., 11.2., 3.3., 17.3., 14.4., 21.4., 12 Uhr
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