: Methadon – Aber Ohne Kassen
■ Die Pfennigfuchserei der AOK läßt das erfolgreiche Hamburger Programm zur Substitution von Drogenkranken scheitern Von Patricia Faller
Der erfolgreiche Hamburger Methadonvertrag ist nach sechs Jahren an der beinharten Haltung der Krankenkassen AOK und IKK gescheitert. Sie wollen die Kosten für die Substitution der bei ihnen versicherten Drogenabhängigen in Zukunft nicht mehr übernehmen. Lediglich die „Altfälle“ sollen weiterfinanziert werden.
Bei einem gestrigen Spitzengespräch, zu dem Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel die Kassenärztliche Vereinigung, die Apotheker-Kammer, die Krankenkassen und die Ärztekammer eingeladen hatte, konnte kein Konsens erzielt werden. Und das, obwohl sich alle einig sind über den Erfolg des Programms.
„Die Weigerung der AOK und der IKK, den Methadon-Vertrag auch für die Zukunft mitzutragen, halte ich für unverantwortlich“, bekräftigte die Senatorin. Hier werde auf dem Rücken der Drogenkranken der untaugliche Versuch unternommen, sich aus der gemeinsamen Verantwortung zu stehlen. Einigen konnte man sich gestern lediglich auf folgendes Ergebnis: „Die Kosten für die bis zum 31. März 1996 begonnenen Behandlungsfälle werden wie bisher weiter finanziert.“ Die IKK aber will nur noch für diejenigen Versicherten zahlen, die ihre Behandlung bis zum 31. Dezember 1995 aufgenommen haben.
„Jetzt bleibt den Drogenabhängigen nur noch übrig, in der Szene zu bleiben oder sich über mühselige Gerichtsprozesse einzuklagen“, erklärt der Drogenbeauftragte des Senats, Horst Bossong. Seiner Ansicht nach hätten die Suchtkranken große Chancen vor Gericht. Und dann spare die AOK keine müde Mark, denn sie müßte die Prozeßkosten tragen, statt das Geld in die Substitution zu investieren.
Die Krankenkassen forderten noch einen weiteren Passus in der Abmachung: „Jeder Krankenkasse bleibt überlassen, in begründeten Einzelfällen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten eine Überprüfung vorzunehmen.“ Bossong hofft jedoch, daß die Kassen davon keinen Gebrauch machen, sonst könnten auch „Altfälle“ bedroht sein. Derzeit werden rund 2400 Drogenabhängige durch niedergelassene ÄrztInnen und in Drogenambulanzen substituiert.
Die AOK schiebt die Schuld für das Scheitern den anderen Krankenkassen in die Schuhe, weil diese sich weigerten, die Kosten gerechter zu verteilen (taz berichtete). Bei der AOK seien die meisten der Substituierten versichert, nämlich 1300. Das verursache Kosten von 14 Millionen Mark pro Jahr. „Wir empfinden es als scheinheilig, wenn sich die Ersatzkassen und Betriebskrankenkassen zwar vehement für eine Fortführung des Hamburger Vertrages aussprechen, aber nur unter der Voraussetzung, daß die AOK Hamburg auch langfristig den Löwenanteil der Kosten übernimmt“, rechtfertigte sich AOK-Geschäftsführerin Karin Schwemin. Für Bossong ist das ein abwegiges Argument. Schließlich gebe es den Risikoausgleich zwischen den Krankenkassen.
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