■ Nachgefragt
: Nicht nur in Lübeck

Der Brand in einer Lübecker Asylbewerberunterkunft scheint aufgeklärt. Es war keine Skins, keine rechtsgerichteten Jugendlichen, sondern ein libanesicher Bewohner des Hauses. Und doch haben die Diskussionen nach dem Brand gezeigt: Es gibt keine Sicherheit, ob nicht doch wieder Brandsätze aus der rechten Ecke fliegen. Das beweist eine Nachricht, die in der Lübeck-Berichterstattung fast untergegangen ist. In Hannover mißglückte ein Brandanschlag von rechts auf ein Asylbewerberheim. Wir sprachen mit dem Bremer Spezialisten zum Thema, Lothar Jachmann, stellvertretender Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz.

taz: Gibt es in der rechtsextremen Szene wieder eine Stimmung für solche Taten?

Lothar Jachmann: Man muß ganz klar sehen, daß es sich bei einem Großteil der Straftäter gerade nicht um Leute handelt, die bei rechtsextremistischen Organisationen verortet sind. Die kommen eher aus nicht organisierten Jugendcliquen mit rechtsextremer Orientierung: Teile der Nazi-Skins, Teile anderer männlicher Jugendlicher – das ist im Grunde typisch für mehr als 90 Prozent der Täter.

...daß es männliche Jugendliche sind.

Genau – nicht fest verortet, aber mit der entsprechenden Orientierung. Sie haben Signale aus der Mitte der Bevölkerung aufgenommen, die aus rechtsextremistischen Organisationen verstärkt worden sind: Daß die Fremden unerwünscht sind, weil sie unser Sozialprodukt schmälern würden.

Die Jungmänner sind dann die Idioten, die das ausführen...

...was andere denken oder in Andeutungen vorplappern.

Entsprechend groß müßte dann auch die Hilflosigkeit Ihres Amtes sein.

Diese Cliquen kann man im Grunde mit nachrichtendienstlichen Mitteln nicht beobachten.

Gibt es Verbindungen zwischen solchen Cliquen und der rechtsextremistischen Szene?

Es gibt hier und da dünne Verbindungslinien, und zwar da, wo solche Gruppen eine gewisse Kontur haben. Dann kümmern sich Neonazis häufig um sie und versuchen, sie zu sich rüberzuziehen. Aber hier sind deren „Erfolge“ gottlob gering. Die sind meistens nicht organisierbar.

Gab es solche Versuche auch in Bremen?

Die gab es hier über die Jahre hinweg immer wieder. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, daß diese Leute von den Neonazis nicht strukturell eingegliedert werden konnten. Es gibt immer wieder hier und da Einzelkontakte, das ist aber in Bremen gerade die Gruppe, um die sich sozialpädagogische Projekte kümmern – und ich werde ja auch nicht müde, das immer wieder zu rühmen.

Ein Grund dafür, daß Bremen in der großen Anschlagswelle 1992 eher eine Insel der Seeligen war.

Ich wäre da vorsichtig. Man muß sich immer vergegenwärtigen, daß wir 1991 auch einen Anschlag hatten. Nur mit viel Glück ist der so verlaufen, daß Bremen nicht in diese unselige Städtelinie Solingen – Mölln eingereiht worden ist. Und Bremen hätte dann am Anfang gestanden. So etwas kann hier auch immer wieder passieren. Aber wir haben über die Jahre hinweg ganz wenige Gewalttaten gehabt, und ich mache das daran fest, daß man sich hier um solche Jugendliche kümmert.

Was macht denn die rechtsextreme Szene in Bremen? Es ist ruhig geworden.

Es ist wenig zu hören. Bis auf gelegentliche Sonnenwend- oder Geburtstagsfeiern, wo sie versuchen ihre „Kameradschaften“ zu mobilisieren, gibt es kaum nennenswerte Aktivitäten. Die letzte war der Versuch der Beteiligung am Heß-Gedenkmarsch in Dänemark.

Die Aktivisten sind in den letzten Jahren weniger geworden?

Das kann man sagen. Die Gruppe war in Bremen ja immer aufgesplittert in die rivalisierenden Deutsche Alternative und Nationalistische Front. Früher waren das rund 30 Leute, mittlerweile sind es unter 20.

Fragen: J.G.