Mäuseinvasion

■ Sonntag war Tag der offenen Tür im Medienzentrum: High-Tech-Spielwiese und warme Worte an die Kids

Im Medienzentrum gibt es massenhaft Mäuse! Dies war eine der ersten Beobachtungen, die man hier am Tag der offenen Türen machen konnte. In jedem Raum, an jedem Arbeitsplatz war mindestens eine davon zu sehen, und all die Medienhandwerker zeigten stolz, was sie alles mit ihren Werkzeugen machen konnten, indem sie ständig auf ihre Mäuse klickten. Wenn im Kino tatsächlich noch Filmrollen eingelegt oder im Fotoatelier Dias an die Wand projiziert wurden, dann waren das schon fast Anachronismen. Die Endmischung im Tonstudio, der digitale Schnitt beim Radio, das Surfen im Internet – all das fand fast ausschließlich an Computer mit Bildschirm, Keyboard und Maus statt. Und das Publikum drängte sich, um den Medienmachern bei ihrer Arbeit über die Schultern zu blicken – so voll war das Haus wohl noch nie gewesen.

Bisher wußte ja auch kaum jemand, wie vielfältig und modern die technische Ausstattung dieses Medienhauses ist. Die einzelnen Nutzergruppen produzieren hier Filme, Videos, Fotos, Radiosendungen, CDs und CD-Roms, aber im Stadtteil bekannt war das Zentrum bisher eigentlich nur durch das Kommunalkino, das hier an fast jedem Tag der Woche Filme zeigt. Aber am Sonntag wärmten sich nun viele Waller bei ihrem Spaziergang im Medienzentrum auf und machten so in ihrer Nachbarschaft Entdeckungen auf der Spielwiese der neuen Medien. Im Cafe wurde an einem der Tische der brandneue Internet-Anschluß des Zentrums präsentiert, und wer geduldig wartete, bis er an die Reihe kam, durfte hier umsonst ein wenig probe-surfen. Im Gang vor dem Radiostudio, aus dem jede Woche ein paar Stunden live im Offenen Kanal gesendet werden, war der digitale Schneideplatz aufgebaut, und hier konnte man sich aus den vielen Soundsamples in wenigen Minuten ein Kurzhörspiel zusammenbasteln lassen. Im Tonstudio wurde gezeigt, wie man bei der Feinabmischung der Musik eines Jazztrios, die im Tonstudio des Hauses aufgenommenen wurde, mit wenigen Handgriffen jeden Ton genau analysieren, verändern oder manipulieren kann. Die Schüler der Gruppe Nullsatt brannten schließlich den ganzen Tag lang fürs Publikum CD-Roms. Daß man dabei bis auf ein paar blinkende Anzeigen auf dem Bildschirm nichts weiter sehen konnte, störte kaum. Manchmal faszinierten bei den Demonstrationen sowieso eher die neuen Zauberworte, mit denen die Spezialisten an den Maschinen erklärten, was die Computer gerade machten.

In allen Gängen und Ecken fanden sich Videoinstallationen – in der Herrentoilette irritierten etwa die jungen Frauen, die aus Bildschirmen mit abschätzendem Blick auf die kleinen Geschäfte der Männer herunterblickten. Rührend altmodisch war dagegen der Stand des Kommunalkinos, an dem in schönster Flohmarktstradition Filmplakate verkauft wurden. Im Kino wurden auch ganz normale Filme gezeigt, unter anderem die Kopie von „Ich bin ein Elephant,Madame“, die das Kommunalkino besitzt und mit dem es beginnen will, ein eigenes Filmarchiv aufzubauen.

Als um 18 Uhr ein Dr. Fred Schell über „die wichtigsten medienpädagogischen Aufgaben bis zum 3. Jahrtausend“ referierte, war es natürlich hochironisch, daß er dies hier, umgeben von all der neusten Technik, ausgerechnet in Form eines am Rednerpult gehaltenen Vortrags tat. Er versuchte in erster Linie all jene Kulturpessimisten zu widerlegen, die vor dem Mediengebrauch der Jugendlichen von heute warnen. Den zu sehr „aufs Buch fixierten“ Pädagogen rät er, sich in den neuen Medien kundig zu machen, denn nur wenn man ihre neuen Techniken und Symbole selber kennt und beherrscht, könne man auch andere lehren, selbstbestimmt mit ihnen umzugehen. Die Pointe seiner Ausführungen war, kaum überraschend, daß das Waller Medienzentrum exemplarisch für die Medienerziehung der Jugend geeignet sei. Denn hier werden ihnen im doppelten Sinne des Wortes Räume zur Verfügung gestellt, in denen sie selber mit den Medien arbeiten können.

Tatsächlich wartet das Medienzentrum mit einer beeindruckend vielfältigen Nutzung auf: Die Volkshochschule bietet hier regelmäßig Kurse und Bildungsurlaube an, Schulen nutzen die Studios und das Kino für Projekte und Vorführungen, die Gruppen „Radio 46“, „WieDeo“ und das Bremer Filmbüro produzieren hier. Zumindest in Deutschland scheint das Bremer Medienzentrum mit dieser Konzentration und Anpassungsfähigkeit einzigartig zu sein – nur die eigene mediale Präsentation ließ bisher zu wünschen übrig, aber das hat sich mit diesem sehr erfolgreichen Tag der offenen Tür endlich auch geändert. Dafür war es auch höchste Zeit, denn am7. Februar wird auf einer Deputationssitzung darüber entschieden, wie der äußerst knappe Kulturetat der Stadt verteilt wird. Wilfried Hippen