■ Borns größter Coup: Schampus auf der Mauer
Berlin (taz) – Der Fernsehskandal um die gefälschten Beiträge des TV-Journalisten Michael Born ist weitaus größer als angenommen. Zwar ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt schon in 22 Fällen, doch Borns Themen waren beileibe nicht nur „Die Aktivitäten des Ku- Klux-Klan in Deutschland“, „Fiese Katzenjäger“ und „US-Soldaten in Somalia“, auch verkaufte er seine nachgestellten Reportagen nicht nur an „Stern tv“, Pro 7 und Sat.1. Vielmehr wurden sogar die Nachrichtensendungen von ARD und ZDF und selbst CNN Opfer des „Bildschirmkujau“ (FAZ), und zwar noch vor 1990.
Blicken wir zurück auf unsere Fernsehberichterstattung im November 1989: Wir sehen geöffnete Grenzübergange zwischen Ost und West, DDR-Bürger schwärmen ins nächtliche West-Berlin, Einwohner der geteilten Stadt feiern mit Sekt auf der Mauer. Jeder kennt diese Bilder. Doch alle diese Aufnahmen waren gefälscht, wie sich jetzt im Zuge fleißiger Nachrecherche herausstellte. Born ging wie üblich vor: Er heuerte ein paar Freunde an, ließ sie gegen ein Taschengeld verschiedene Rollen in seinen „Dokumentationen“ übernehmen. Peter F., ein ehemaliger Mitschüler Borns, war dabei: „Das war ganz schön harte Arbeit“, berichtet er. „Ich mußte an demselben Abend als Grenzer, als Trabant-Fahrer und auch noch als fassungsloser Westdeutscher auftreten.“ Born habe sein Team jedoch „absolut professionell“ geleitet. „Kleine Massenansammlungen, zwischendruch Interwiews – und wir wußten, der verkauft das schon.“
Born verkaufte wirklich. Seine Bilder von sekttrinkenden Deutschen, die rittlings auf der Mauer saßen und sich jubelnd in die Arme fielen, wurden ohne weitere Überprüfung gesendet. „Was wollen Sie da machen?“ fragte Sat.1-Pressesprecher Dieter Zurstraßen in der Süddeutschen Zeitung. „Ihnen bietet jemand aktuelle Bilder an. Sie sehen ein paar Deutsche, und es kracht.“ So wird Fernsehwirklichkeit gemacht.
Hätte sich jedoch jemand die Mühe gemacht, Borns Aufnahmen vor Ort zu überprüfen, wie es auch bei den falschen Bildern aus Somalia möglich gewesen sein müßte, wäre der Schwindel viel schneller aufgeflogen. Und gerade in Berlin, das doch viel näher als Somalia liegt, hätte ein Korrespondent leicht einen einfachen Spaziergang zum Brandenburger Tor unternehmen können. Fragt man hier heutzutage einen Einwohner nach der Möglichkeit, auf die andere Seite zu gelangen, erntet man herzliches Lachen. „Hier bestimmt nicht“, prustet der angesprochene Westberliner an der Stelle, wo Reagan einst vergeblich forderte: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall!“ Carola Rönneburg
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