: Buddadaistisches Gebabbel Von Mathias Bröckers
„Hör mir uff mit de Hesse, die gehn doch zum Lache in de Keller“, meinte unlängst die (aus Hessen gebürtige) Wirtin einer Kölner Kneipe, als es um die Qualitäten des deutschen Regionalhumors ging. Sie hat ihre Heimat im „fröhlichen“ Rheinland gefunden, wo Zugereiste in speziellen Kursen die Basics des Kölschen Karnevals, das Schunkeln, üben können. Ob freilich die Fähigkeit, im Vollrausch untergehakt aufrecht hin- und herzuschunkeln, ob der durchorganisierte Karnevalismus wirklich etwas mit Humor zu tun hat, darf bezweifelt werden. Vielmehr scheint es sich hier eher so zu verhalten, daß, wo es sonst nix zu lachen gibt, an den sogenannten tollen Tagen zwanghaft noch über den dämlichsten Scheiß gelacht werden muß. Wer nicht mitschunkelt, fliegt raus und gilt als „fiese Möp“ – Humorkraftzersetzung läßt sich die Scherz-SS nicht bieten ...
So ähnlich diskutierten wir das harsche Diktum der an die rheinische Humorfront übergelaufenen Hessenwirtin, wobei mir, als Hessebub, natürlich an der Verteidigung der heimischen Witzproduktion und Lachbereitschaft gelegen war. In den Keller geht der Hesse allenfalls, weil Elferrat und Kappensitzungen nur mit neuester Gähntechnik zu bewältigen sind – ansonsten aber ziehen sich Salven fetter Lacher und Wellen banalster Heiterkeit durchs Hessenland: von Karl Napp, Baba Hesselbach und Heinz Schenk bis zur Neuen Frankfurter Schule und dem Fronttheater.
Ein neuer Meilenstein, ja, ein Jahrhundertwerk urhessischen Humors läuft seit Donnerstag im Kino: „Abbuzze“ von und mit Gerd Knebel und Henni Nachtsheim, dem Duo „Badesalz“.
Überfahrt eines Apfelweinfrachters nach England, Chaos im Maschinenraum, pfeifende Kessel, zischende Ventile: „Ruf den Käptn! Denk dran: Bordsprache!“ – „Bordsprache?“ Ach ja – Hessisch!: „Käptn, hier geht alles drunner un drübber!“ Der Käptn (Ottfried Fischer) erscheint: „Wie spielte die Eintracht gegen Dortmund in der Saison 92/93?“ – „3:1“ – „Na, also?“ – Matrose stellt einen Schalter auf 3, den anderen auf 1. „Wann fiel der Führungstreffer?“ – „60. Minute!“ – Matrose stellt Temperatur auf 60 Grad ein. „Wer schoß das 3:1?“ – „Yeboah mit Flugkopfball!“ – Matrose hechtet durch den Gang und legt per Kopf einen Hebel an der Decke um. Die Maschinen laufen normal. Der Kapitän: “ Sehd ihr, mer müsse nur flexibel sein!“ – Die Matrosen: „Mer müsse nur flexibel sein, dann trinkt die Welt auch Appelwein.“
Der Hessenhumor und speziell der von Badesalz ist weit internationaler, kosmopolitischer, als es diese kleine Szene vermuten läßt. Das Dumpfe, Neobanale gehört nur selbstverständlich dazu, so wie das Schwarze und Britische, für das die Badesalz-Jungs in England geliebt würden, wenn sich denn der unverzichtbare, höchst subtile hessische Sound verlustfrei übersetzen ließe. Jenes buddadaistische Gebabbel, das auf der nach oben offenen Skala des kosmischen Kicherfaktors gar nicht hoch genug angesiedelt werden kann. Mit der Schnellsprech-Westernparodie „Hesse James“ (auf der CD „Diwodaso“) hatte Badesalz dafür schon ein akustisches Denkmal gesetzt, mit „Abbuzze“ (hochdeutsch: Abputzen) jetzt das filmische. Selbst Nichthessen können lachen ... Wo gibt's das noch?
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