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„Diskussionsbedarf bei einer Neuregelung für Asylbewerber“

■ Bundesratsinitiative zur „Altfallregelung“ wird durch Bonner Regierungsfraktionen blockiert. Selbst Geißler will Gesetz ändern

Während Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD) schon neue Initiativen zur Gewährung von dauerhaften Aufenthaltsgenehmigungen für lange in Deutschland lebende Flüchtlinge ankündigt, schmort eine von den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen eingebrachte Gesetzesinitiative seit Monaten im Deutschen Bundestag. Gestern platzte dem nordrhein-westfälischen Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD) der Kragen. Was die Bonner Regierungsfraktionen sich in dieser Frage leisteten, geißelte Kniola als eine „skandalöse“ Blockadepolitik. Die Bundestagsmehrheit weigere sich schlicht, den von der SPD-Mehrheit im Bundesrat beschlossenen Gesetzentwurf zur Neuregelung von sogenannten „Altfällen“ zu beraten.

Nach dieser Bundesratsinitiative soll AusländerInnen, die seit acht Jahren in Deutschland leben, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht gewährt werden. Bei Personen mit mindestens einem minderjährigen Kind gilt die Fünfjahresfrist. Vorausetzung ist, daß die betreffenden Personen „eine Erwerbstätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes nachweisen“ können. Insgesamt leben in Deutschland etwa 20.000 abgelehnte Asylbewerber, die diesen Anforderungen entsprächen.

Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) lehnt den Vorstoß rundweg ab. Er sieht darin eine „Belohnung“ für jene Asylbewerber, die es geschafft hätten, eine langjährige Duldung durch Verfahrensverzögerungen zu erreichen. Kniola kontert so: „Hier den Menschen vorzuwerfen, daß das alte Asylrecht Verfahrenselemente hatte, die zu langen Aufenthaltsdauern führten, halte ich für völlig ungerechtfertigt.“ Bei der Sonderkonferenz der Länderinnenminister mit Kanther am kommenden Freitag will er das Thema erneut ansprechen. Unterdessen erging an die Ausländerbehörden in NRW die ministerielle „Bitte“, weiterhin auf die Abschiebung von Menschen zu verzichten, die sich bis zum Stichtag 1. März 1995 mindestens seit acht Jahren in Deutschland aufhalten.

Dafür, daß der Bundestag doch noch dem Bundesrat folgen könnte, sieht Kniola nach wie vor Chancen. Ihm seien viele „Einzelstimmen“ von CDU und FDP bekannt, die mit der Gesetzesinitiative sympathisierten. Gesetzlichen Handlungsbedarf erkennt offenbar sogar CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Das jedenfalls geht aus einem der taz vorliegenden Schreiben hervor, mit dem sich Heiner Geißler, Schäubles Stellvertreter, schon am 25. April 1995 an eine Flüchtlingsberaterin wandte. Er habe „den Eindruck gewonnen“, so Geißler, „daß für eine Neuregelung für Asylbewerber, die sich schon lange im Bundesgebiet aufhalten, Diskussionsbedarf besteht“. Die „unbefriedigende Lage“ habe er im Fraktionsvorstand vorgetragen und dabei „auch bei Wolfgang Schäuble Zustimmung dafür gefunden, daß die gesetzlichen Regelungen geändert werden müssen“. Er „hoffe doch, daß in der nächsten Zeit großzügigere Verfahrensweisen gefunden werden“ könnten. Walter Jakobs, Bochum

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