: CDU öffnet sich für Türken
■ Die Ausländerbeauftragte von Schöneberg, Emine Demirbüken, ist den Christdemokraten in Neukölln beigetreten. Junge CDUler versuchen, die Modernisierung ihrer Partei voranzutreiben
Die Nachricht wollte so mancher ihrer langjährigen Weggefährten gar nicht so recht glauben. Doch seit kurzem ist es amtlich: Emine Demirbüken, Türkin mit deutschem Paß und Ausländerbeauftragte von Schöneberg, ist Mitglied der CDU-Neukölln. „Ich habe sie eher für eine Sozialdemokratin gehalten“, wundert sich nicht nur der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde zu Berlin, Mustafa Çakmakoglu. Der 43jährige Jurist, selbst seit 1994 im CDU-Kreisverband Wilmersdorf Nord, hat nun eine streitbare Parteifreundin bekommen. Denn die 34jährige ist unter anderem auch Sprecherin des Türkischen Bundes in Berlin und Brandenburg (TBB), die liberale Konkurrenzorganisation zum eher konservativen Dachverband Çakmakoglus.
„Türken in der CDU“, sagt Demirbüken, sei immer noch für viele politisch engagierte Deutsche ein „Tabuthema“. Der Platz der Ausländer, so das gängige Vorurteil, sei in der SPD, PDS oder bei den Grünen. Dabei versuchen gerade innerhalb der CDU junge Männer und Frauen, die Modernisierung ihrer Partei voranzutreiben. Çakmakoglu etwa wurde vom Finanzstaatssekretär Peter Kurth, seit neuestem Vorsitzender des Kreisverbandes Wilmersdorf Nord, angesprochen. Beide kannten sich aus gemeinsamen Studienzeiten an der FU. Kurth, so Çakmakoglu, habe ihn motiviert, „nicht nur von außen zu kritisieren, sondern von innen etwas zu bewegen“. Mittlerweile sind die Beziehungen der CDU zur Türkischen Gemeinde zumindestens auf der symbolischen Ebene enger geworden: seit letztem Jahr ist Eberhard Diepgen Ehrenmitglied des Vereins – nicht zuletzt ein Verdienst Çakmakoglus, der hauptberuflich als Ausländerbeauftragter in Tiergarten tätig ist. Ebensowenig wie bei ihm war Demirbürkens Entscheidung reiner Zufall. Der Ortsverband Herfurther Platz, der in der Nähe ihrer Wohnung liegt, wird vom Nochstaatssekretär Wolfgang Branoner geführt. Er wird zusammen mit Peter Kurth und der Abgeordneten Monika Grütters zur jungen liberalen Garde der CDU gezählt.
Fühlt sich Demirbüken als Konservative? Das Denken in Schablonen gefällt ihr nicht, sagt sie: „Die CDU ändert sich. Ich möchte mit meinen Ideen zum Wandel beitragen.“ Unbequem will sie bleiben, weiterhin für die doppelte Staatsbürgerschaft streiten. Auf die Rolle der Vorzeige-Ausländerin möchte sie sich nicht beschränken lassen: „Ich bin in der Partei, um mich zu allen Fragen in meinem Neuköllner Kiez zu äußern.“
Der TBB-Geschäftsführer Kenan Kolat, der Demirbüken seit Jahren aus der gemeinsamen Arbeit kennt, begrüßt ihren Schritt. „Wir haben immer gesagt: Mischt euch ein, nehmt die deutsche Staatsbürgerschaft an, geht wählen und tretet in die hiesigen demokratischen Parteien ein.“ Kolat ist seit 1987 SPD-Mitglied, arbeitet dort im Fachausschuß Migration mit. Seine Ehefrau sitze seit der Oktoberwahl für die Sozialdemokraten in der BVV Schöneberg.
Daß die Arbeit innerhalb der von Deutschen dominierten Parteien keineswegs unproblematisch ist, weiß Kolat aus eigener Erfahrung. Als im letzten Jahr Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder die Türkei wegen ihrer Kurdenpolitik scharf angriff und von „Völkermord“ sprach, hagelte es Proteste. Zahlreiche türkische SPD-Mitglieder drohten mit ihrem Austritt. Schlimm seien die Angriffe der türkischen Medien gewesen, die die SPD plötzlich in die Nähe der kurdischen PKK gerückt hätten, erinnert sich Kolat. Die Wogen konnten erst auf einem Treffen mit dem damaligen Bundesvorsitzenden Rudolf Scharping geglättet werden. Die Integration von Ausländern in den großen Volksparteien folgt auch dem Umstand, daß immer mehr die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. „Das ist ein Wählerpotential“, glaubt Kolat.
Die von manchen Türken befürwortete Gründung eigener Parteien in Deutschland lehnen Kolat, Demirbüken und Çakmakoglu ab. Dies trage nur zur Desintegration und Isolierung bei. „Der Druck zur Veränderung muß aus den deutschen Parteien selbst kommen, wir dürfen nicht abseits stehen“, so Kolat. „Ich hoffe doch, daß ich für die CDU ein interessantes Mitglied bin“, sagt Demirbüken mit ironischem Unterton. An innerparteilichen Kontroversen wird es ihr wohl nicht mangeln. Schließlich zählen die Neuköllner Christdemokraten zu ihren Mitgliedern neben dem Landesvorsitzenden Diepgen auch den scheidenden Innensenator Heckelmann. Den Vertreter einer restriktiven Ausländerpolitik traf sie kürzlich auf einem Fest. „Mit großem Interesse“, sagt sie diplomatisch, habe er ihre Ankündigung vom CDU-Beitritt entgegengenommen. Severin Weiland
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