: Virtuelle Reise mit großen Pupillen
Tourismusforum der Asean-Staaten: US-Experten sagen technische Revolutionen im Tourismus voraus ■ Von Jens Uwe Parkitny
Mit dem wasserstoffgetriebenen Supersonic-Jet in fünf Stunden von Europa nach Australien düsen, am Barrier Reef in drei Meter Tiefe mit Delphinen über moderne Literatur diskutieren und zum Abendessen zu „Angelo“ nach Los Angeles fliegen – was wie eine schlecht getunte Zukunftsmusik klingt, steigt nach Ansicht von amerikanischen Technologieexperten in der Hitparade der Kurzreisen in weniger als vier Jahrzehnten zum Schlager auf. Diese Vorstellung sei kein Hirngespinst, versicherte Dr. Clive B. Jones, Senior Vice-President der in San Francisco ansässigen Consulting-Firma Economics Research Associates (ERA), im indonesischen Surabaya. Dort fand kürzlich das 15. Internationale Tourismusforum der Asean-Staaten (Brunei, Malaysia, Indonesien, Singapur, Vietnam, Thailand und Philippinen) statt – eine Kombination aus Konferenz, Fachmesse und informellem Ministertreffen.
Auf der Grundlage von Trend- und Technologieforschungen prophezeit Jones revolutionäre Veränderungen in der Touristik: „Spätestens in 15 bis 30 Jahren gehören Service-Roboter in der Hotellerie, computergesteuerte Hologramme, die sprechen und laufen können, sowie handliche Fremdsprachen- Decoder in den Industriestaaten zum Standard.“
Die Automatisierung von einfachen Dienstleistungen, die Schöpfung virtueller Welten und die Entwicklung von simultanübersetzenden Geräten im Taschenformat deutet der Ingenieur als Zeichen dafür, daß sich gängige Freizeitangebote grundlegend verändern werden und Sprachbarrieren fallen. Die grenzenlose Kommunikation geht seinen Angaben nach soweit, daß sogar eine Unterhaltung mit anderen intelligenten Lebewesen, etwa Delphinen, in absehbarer Zeit möglich ist. Statt humanem „Roomservice“ werden am Urlaubsort dreidimensionale Laserbilder von Kellnern Bestellungen aufnehmen und Automaten à la „Er-Zwo/De-Zwo“ das Gewünschte liefern, meint Jones.
Der High-Tech-Wahn verändert auch das Verhältnis zwischen Zeit und Entfernung grundlegend, sobald „High Speed Civil Transport“-Systeme zum Einsatz kommen. Beispielsweise im Luftverkehr. James P. Needham, Direktor für Tourismusentwicklung bei Boeing, meint stolz: „Was heute noch als Langstrecke gilt, ist dann Kurzstrecke: Nur vier bis sechs Stunden werden Flugzeuge für Atlantik- oder Pazifiküberquerungen brauchen, etwa um von Los Angeles nach Sydney zu gelangen.“
Die Superflieger, die bis zu 1.000 Personen auf einmal fassen sollen, sieht der Boeing-Mann bereits Mitte des nächsten Jahrhunderts in der Luft. Daß diese Maschinen noch mit Kerosin die Atmosphäre verpesten, schließt Zukunftsforscher Jones allerdings aus, „denn die fossilen Brennstoffe werden knapp!“. Dr. Suryo Prawiroatmodjo, Leiter des ersten und einzigen indonesischen Zentrums für Umwelterziehung in Seloliman, Provinz Trawas, kann dem nur beipflichten: „Indonesien muß spätestens in 90 Jahren die Energieversorgung umgestellt haben, da die demographische und wirtschaftliche Entwicklung darauf hinausläuft, daß um das Jahr 2100 die nationalen Erdölreserven aufgebraucht sind.“
Obwohl High-Tech-Innovationen der Consulting-Firma ERA zufolge in drei Jahrzehnten umweltfreundlichen Pauschalurlaub sogar in Hotels im Weltraum ermöglichen – in Japan liegen Entwürfe für schwerelose Herbergen bereits vor –, wagt Jones keine Prognose, wie sich vergnügungs- oder geschäftlich bedingte Ortswechsel quantitativ auswirken. Die Unbekannte in der Wahrscheinlichkeitsrechnung des Techno-Propheten, der zu seinen Kunden unter anderm die Disney Corporation zählt, ist die menschliche Vorstellungskraft. „Der Erlebniswert in künstlichen Realitäten“, versichert Jones, „wird sich in naher Zukunft durch die Einnahme von rezeptfreien Phantasiedrogen so weit steigern lassen, daß Reiseveranstalter sich schon jetzt ernsthaft Gedanken darüber machen sollten, wie sie gegen imaginäre Ausflüge konkurrenzfähig bleiben!“
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