■ Hinter dem Schmuggel stecken unterschiedlichste Interessen
: Überdruckventil

Auch wenn ihre Präsenz in den letzten Jahren zunimmt, sind die Schlepperorganisationen doch kein neues Phänomen. Es gab sie schon immer, wenn Grenzen illegal überschritten werden mußten, sei es mangels einer Ausreisegenehmigung durch die eigene Regierung, sei es mangels eines Visums des Ziellandes. Jüngstes Beispiel hier in Europa sind die Jahre des Faschismus und der Franco-Diktatur. Durch die sich ständig verschlechternde Lage vieler Menschen, vor allem in der Dritten Welt, und die zunehmende Abschottungspolitik der reichen Länder erleben Schleppermafiosi neuen Auftrieb.

Immer mehr Menschen versuchen, der unerträglichen Lebenssituation in ihrer Heimat zu entfliehen, sei es aus ökonomischen oder politischen Gründen. Und wo scheint der Wunsch nach einem besseren Leben erfüllbarer als in der Ersten Welt? Jedoch stecken hinter dieser modernen Art des Menschenhandels ganz unterschiedliche Interessen. An erster Stelle das Geld. Eine Reise nach Europa kostet bis zu 15.000 Mark. Hier verdienen alle, bis hin zum korrupten Beamten, der gelassen wegschaut – ob zu Hause, in einem der Durchgangsländer oder im Zielland. Hinzu kommt das Interesse verschiedener Regierungen, unzufriedene Bevölkerungsschichten loszuwerden.

Die Schleppermafias funktionieren somit als eine Art Überdruckventil. Zum Beispiel im Falle der Türkei mit den Kurden oder in Marokko mit der Opposition und wirtschaftlich unzufriedenen Sektoren. Auf keinen Fall dürfen wir das internationale Kräftespiel vergessen. Warum sonst nimmt etwa der Strom der illegalen Einwanderer von Marokko nach Spanien bei jeder diplomatischen Krise zwischen beiden Ländern zu? Dem Phänomen Menschenschmuggel ist nur durch einen radikalen Wechsel in der Politik der entwickelten Länder beizukommen. Die Erste Welt muß toleranter und solidarischer werden. Nur wenn wir Verfolgte und Notleidende nicht mehr einfach pauschal an den Grenzen abweisen, wird den Schleppern die Geschäftsgrundlage entzogen.

Die EU muß eine Einreisequote festlegen, zumindest, solange wir nicht die weltweite Einhaltung der Menschenrechte und minimale Lebensbedingungen überall gewährleisten können. Das würde auch heißen, daß die EU ihre diplomatische Beziehungen überdenkt, um auf Regierungen wie die der Türkei oder Marokko einzuwirken, damit sich diese Länder wirklich demokratisieren. Juan José Rodrigo Uarte

Der Autor ist Generalsekretär des in Madrid ansässigen Hilfskomitees CEAR