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„Menschenfreunde? Das ist Sklavenhandel“

■ Hans Miesbeck, Leiter der Einsatzzentrale Grenzschutzamt Schwandorf, über Schlepper

taz: Herr Miesbeck, wer sind die Schlepper? Handelt es sich um Gelegenheitsschleuser oder um Mafiosi, die auch mit Drogenhandel oder Prostitution das große Geld machen?

Miesbeck: Das Ganze ist äußerst professionell organisiert. Da ist meist auch Drogen-, Waffen- oder Mädchenhandel mit im Spiel.

In einem aktuellen Bericht der Grenzschutzdirektion Koblenz heißt es aber, die meisten an der Grenze aufgegriffenen Schleuser seien Gelegenheitsschleuser.

Die Organisation selbst ist, ebenso wie die Mafia, professionell organisiert. Sie benutzt jedoch, wie bei der Mafia üblich, Gelegenheitsschleuser, damit der Weg zu den eigentlichen Köpfen der Organisation nicht mehr zurückverfolgbar ist. Die wollen sich ihre Hände nicht schmutzig machen. Solche Gelegenheitsschleuser sind junge Leute, die in der Disko angesprochen werden, die vom Geschäft selbst keine Ahnung haben, aber ein wenig Geld verdienen wollen.

Die Koblenzer Grenzschutzdirektion behauptet, es handle sich „in den wenigsten Fällen“ um homogene und gefestigte Organisationsstrukturen, vielmehr wirkten die Beteiligten überwiegend bedarfsabhängig zusammen.

Ja, am Anfang waren tatsächlich Gelegenheitsschleuser am Werk. Die wurden aber immer mehr verdrängt von Mafia-Profis. Indem wir unsere Gegenmaßnahmen verstärkten, konnten solche Organisationen ausgetrocknet werden, so daß jetzt auch wieder Gelegenheitsschleuser zum Zug kommen. Ich bleibe aber dabei, daß in den meisten Fällen eine Organisation vorhanden ist. Dafür haben wir gesicherte Erkenntnisse.

Es gab Zeiten, da waren Schleuser in Deutschland durchaus willkommen. Sie hießen damals Fluchthelfer und arbeiteten beispielsweise an der deutsch-deutschen Grenze. Es gab auch Fluchthilfeorganisationen zu Zeiten des Nationalsozialismus, um Juden außer Landes zu bringen ...

Das können Sie doch nicht vergleichen. Schlepper erfüllen heute einen Straftatbestand und sind Teil des organisierten Verbrechens. Das andere würde ich eher im Bereich der Menschenhilfe ansiedeln.

In Italien gibt es die Aussage, 70 Prozent der Schleuser seien ehrenwerte Leute.

Wenn ich von jemandem, den ich über die Grenze bringe, 2.500 Mark verlange und ihm, wenn er nicht bezahlen kann, den Paß wegnehme, so daß er in Deutschland solange für die Organisation illegal arbeiten muß, bis seine Schulden abbezahlt sind, dann ist das moderner Sklavenhandel. Das sind keine Menschenfreunde. Wir haben schon Leute halb erfroren im Wald gefunden, von denen der Schleuser zwar auf tschechischer Seite das Geld kassiert, sie dann aber auf deutscher Seite im Stich gelassen hatte. Das sind wohl kaum ehrenwerte Leute.

Wie hoch sind eigentlich die Schleusertarife?

Je professioneller organisiert, desto teurer. Momentan muß ein geschleuster Kosovo-Albaner zwischen 1.500 und 2.500 Mark hinblättern. Teurer sind die Komplettschleusungen aus China ins Zielland USA und Kanada via Deutschland. Da sind dann schon mal 30.000 Dollar im Spiel.

Nach dem neuen Asylgesetz haben Ausreisewillige doch kaum mehr eine Chance, nach Deutschland hereinzukommen. Sie sind auf Schleuser angewiesen. Ist das neue Asylgesetz die Geschäftsgrundlage der Schlepper?

Auch schon vor der Änderung des Asylverfahrensgesetzes hatten die wenigsten, die wir an der Grenze aufgegriffen haben, ein Asylbegehren gestellt. Die hätten ja nur „Asyl“ zu sagen brauchen, doch das haben höchsten fünf Prozent. Die anderen gaben an, in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen gekommen zu sein. Das heißt: Es geht nicht so sehr ums Asyl. Die Zahl der Schleuser und der Geschleusten hat auch nach dem neuen Asylverfahrensgesetz nicht zugenommen. Da gibt es keinen Zusammenhang.

Schleuser werden als Feinde der inneren Sicherheit dargestellt, gegen die man mit modernsten Mitteln wie etwa dem Lauschangriff operieren muß. Kann man Schleuser überhaupt abschrecken?

Wir haben festgestellt, daß je mehr wir gegen sie unternehmen, desto mehr wenden sie sich wieder anderen Dingen zu. Sie merken, daß sich das Geschäft bei erhöhter Strafandrohung und erhöhter Trefferquote nicht mehr rentiert. Interview: Bernd Siegler

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