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„Selbstentmachtung der Delegierten“

■ Satzung des neuen SPD-Unterbezirks „Stadt“ umstritten

Manche SPD-Parteimitglieder sagen „Machtkartell“ dazu. Bei anderen wecken die Beschlüsse der Versammlung der Unterbezirke Ost und West vom Montag „Erinnerungen an das Ermächtigungsgesetz“. Anlaß zum Ärger bietet die neue Satzung der bisherigen SPD-Unterbezirke West und Ost, die künftig als neuer, gemeinsamer SPD-Unterbezirk „Stadt“ firmieren. 13 Ortsvereine von Horn bis Hemelingen arbeiten darin – nach unbefriedigenden Regeln allerdings, meinen KritikerInnen.

Wer sich von den Beschlüssen der Delegiertenkonferenz am Montag direktere Einflußmöglichkeiten für Parteimitglieder erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Zwar gibt es neuerdings „Mitgliederbegehren“. Damit können zehn Prozent der einfachen Parteimitglieder eines Unterbezirks eigene Vorschläge einbringen und abstimmen lassen – doch bei wesentlichen Entscheidungen wie etwa der Aufstellung der Listen für die Landtagswahlen, werde derlei Mitgliedsaktivität ein Riegel vorgeschoben, so die Kritik. Mächtiges Werkzeug im Instrumentenkasten der Funtionäre sei dabei die alte und neue „Mandatskommission“: keine nennenswerte Nominierung ohne sie. Damit werde dem Ämtergeschachere Vorschub geleistet – obwohl man über Kandidaten doch in offenen Abstimmungen entscheiden könne, fordern VerfechterInnen lebendiger Streitkultur.

Daß die Kommission zudem dem alten Ortsteil-Proporz verpflichtet bleibe sei blamabel, meinen vor allem diejenigen, die lieber auf Qualität statt auf Wohnort achten würden: Danach könne wie ehedem ein einzelner weniger Gescheiter aus Findorf den Vorzug vor zwei blitzgescheiten BewerberInnen aus der Neustadt beispielsweise erhalten. Diesen Proporz könne die SPD sich nicht länger leisten.

Zu dem Kritikern der neuen Satzung gehört auch Günter Reimann. Der West-Delegierte aus Findorff nahm am Montag die Unsitte ins gebet, die Abgeordneten-Listen für den Landtag im Fünferpack abzustimmen. Das sei vielleicht rationell, sagte er – „aber wenig demokratisch“. Ebenso wie ein neu beschlossenes Zustimmungsverfahren zu Anträgen für die Delegiertenversammlung: Da soll künftig als beschlossen gelten, was keinen Widerspruch erntet. Ein vorab per Post zugeschickter Antrag beispielsweise. „Ohne jede Diskussion“, sagt Reimann. „Da braucht man bald überhaupt keinen Parteitag mehr abzuhalten. Das ist die Selbstentmachtung der Delegierten.“ Die jedoch nahmen die neue Satzung mit Mehrheit an. ede

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